Magdalenas Garten
gegenüber stand ein altes, geschwungenes Sofa in Altrosa.
Man hörte gedämpftes Wasserrauschen, dann kam jemand mit elastischen Schritten hinter dem Vorhang am Ende des Raumes hervor. Holger.
»Salve!« Er küsste Nina auf die Wange, gab Magdalena die Hand und stellte sich vor. Mit seiner Glatze und den flatternden weiÃen Hemdsärmeln stand er wie ein heiterer, schlaksiger Guru unter dem blauen Himmelsquadrat und wies auf den mehrfach geflickten Polstersitz. Prego!
Magdalena setzte sich und zog das Gummiband aus ihrem Pferdeschwanz, schlaff fielen die Haare auf ihre Schultern. Er stellte sich hinter sie, strich ihr mit beiden Händen über den Kopf, als ob er sie segnen wollte, befühlte die Strähnen zwischen seinen langen Fingern und zog sie noch glatter.
»Eine gute Länge! Eine gute Länge, um ein ganzes Stück abzuschneiden.« Nina nickte.
»Ihre Haare standen bei mir noch ganz oben auf der Liste, du musst sie nur überzeugen, dass ihr kürzer besser steht.
Hör mal, ich bin spät dran, im Tintorello warten sie schon auf mich.«
»Im Tintorello ?«
»Ich treffe mich mit Giovanni, falls das POLO nicht aufmacht, brauche ich einen Job.« Nina beugte sich zu Magdalena: »Keine Angst, von mir erfährt niemand von deiner Vaterschaftsklage gegen Giovanni«, flüsterte sie ihr ins Ohr.
»Nina Nannini â¦! Was ist eigentlich mit deiner Arbeit in Rom?«
»Jetzt fang du nicht auch noch an, du klingst ja schon wie Matteo. Wann soll ich sie wieder abholen?«
»Gib mir zwei, zweieinhalb Stunden.«
Nina schleuderte eine Kusshand in ihre Richtung und lief hinaus. Magdalena stierte auf ihr langweiliges Gesicht, das missmutig aus dem Spiegel zurückstierte. Meine Haare standen bei ihr noch auf der Liste, wahrscheinlich ruft sie mich nie mehr an, wenn dieser Punkt endlich abgehakt ist.
»Allora« , sagte Holger, und sein Lächeln verschwand, »ich würde das hier nicht tun, wenn Nina dich nicht schicken würde. Du bist mit Abstand der schlimmste Fall!« Jetzt klang er wie ein beleidigter Friseur in einem schlechten Theaterstück. Magdalena schaute ihn erschrocken an und stand langsam auf.
»War nur SpaÃ, Schätzele«, er drückte sie wieder in den Sessel und lachte herzlich, »du hast wunderschöne Augen, dieses Grau ist wirklich ungewöhnlich, habe ich noch nie gesehen, kommt aber hinter deinen blassen Wimpern überhaupt nicht zur Geltung. Ich würde Augenbrauen und Wimpern färben, dann hast du erst mal Ruhe, die Wimpern schwarz, aber die Augenbrauen nicht zu dunkel, es soll ja natürlich wirken. Ein mittleres Braun, höchstens.«
Im Spiegel beobachtete Magdalena, wie Holger ihre Haare mit einer zärtlichen Geste in die Höhe hob, und hörte ihn dabei
konzentriert vor sich hin summen. Sie mochte diesen fremden Mann, der sich so ernsthaft mit ihrem Gesicht und ihren Haaren beschäftigte, wie sie es selbst nie getan hatte.
»Frauen sollten lange Haare haben, besonders in Italien«, sagte er, »ich schneide Frauen nie die Haare ab, also fast nie.« Er grinste. Un magico simpatico , hatte Evelina ihn genannt.
»Aber bei dir und deinem Gesicht muss es sein. Es muss.«
»Naturseifengesicht hat Nina zu mir gesagt«, flüsterte Magdalena.
»Ja, das trifft es genau, aber zu viel Natur ist ermüdend, wir machen etwas Besseres draus! Diese Schulterlänge holt nicht optimal alles aus deinem Gesicht heraus, siehst du hier, du hast ja recht viele Haare, aber oben brauchen wir etwas Volumen und unten Sprungkraft.«
Wie nett, er hätte auch »oben sind sie platt und unten hängen sie runter« sagen können.
»Ich schneide bis zu deinem Ohrläppchen, stufe es leicht an, das gibt zusammen mit der Kürze noch mehr Fülle und wird gaaanz anders aussehen!« Ja, das befürchtete Magdalena auch, doch sie nickte und lieà sich von dem sympathischen Zauberer im Stuhl zurückkippen. Während Wimpern und Augenbrauen gefärbt wurden, presste sie ihre Lider so fest zu, dass sie grüne Sonnen vor schwarzem Grund tanzen sah. Blind, mit öligen Wattepads unter den Augen, lag sie wehrlos auf dem alten, erstaunlich bequemen Sessel ausgestreckt und war schon bald Holgers Fragen ausgeliefert:
»Ich lese da gerade so ein Buch ⦠wenn du eine Pflanze wärest, welche wärst du?«
»Du meine Güte, keine Ahnung! Was für eine Pflanze ich
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