Magermilch
kannte, war Toni der Inbegriff von Freundlichkeit.«
Martha nickte zustimmend. »Toni ist gutmütig, nachsichtig und hilfsbereit. Nur Fritz gegenüber gibt er sich so … feindselig.« Sie massierte ihre Stirn mit den Fingerspitzen. »Du ahnst nicht, wie viele Diskussionen zum Thema Fritz Maurer Willi und ich in letzter Zeit mit Toni hatten. Endlose Debatten, die uns keinen Schritt weiterbrachten. Zwischen Willi und Toni gerieten sie teils recht heftig, weil Toni keine vernünftigen Argumente vorbringen konnte. Ich hab ihn noch nie so stur erlebt.«
»Aber er würde doch nicht …«, begann Fanni, dann fiel ihr etwas ein. »Wo ist denn Toni?«
Martha dachte nach. »Willi hätte um halb drei Uhr einen Termin in Vilshofen gehabt. Die Büros einer Mineralölfirma werden neu vertäfelt. Willi sollte unser Angebot vorlegen. Das musste nun Toni übernehmen. Er dürfte schon unterwegs gewesen sein, als Fritz …«
»Na also«, sagte Fanni, »damit scheidet er aus. Es wird sich wohl eher um einen Racheakt eines Angestellten handeln, den der Geschäftsführer abgekanzelt oder gar entlassen hat.«
Aber trotzdem ein seltsames Zusammentreffen! Willi Stolzer tödlich abgestürzt, sein Geschäftsführer beinahe erschlagen!
Schon, dachte Fanni. Aber im Moment geht es darum, Martha zu beruhigen. Über den Anschlag auf Fritz Maurer kann ich später noch nachdenken.
Sie wartete, bis Martha ausgetrunken hatte, nahm ihr die leere Tasse aus der Hand und füllte sie neu. Als sie aufblickte, sah sie, dass Martha Tränen über die Wangen liefen.
»Fanni, Willi lebt nicht mehr. Und alle Welt behauptet inzwischen, ich hätte ihn ermordet.«
»Schsch«, machte Fanni und versuchte, Martha die frisch gefüllte Tasse aufzudrängen. »Niemand kann aufgrund von Geschwätz verurteilt werden. Ich weiß, wie gut du dich immer mit Willi verstanden hast.«
Wie viele Jahre ist es her, seit du ein Wochenende mit den beiden zusammen verbracht hast? Fünf? Sechs?
»Ihr habt euch geliebt, respektiert, geschätzt.«
Inzwischen kann sie ihn gehasst haben wie die Pest!
Martha schluchzte. »Mir ist ja selbst klar, dass ich die verdächtigste Person in diesem Mordfall bin, weil es für mich am einfachsten war, Willis Klettergurt zu präparieren.«
»Ich weiß«, sagte Fanni. »Und deshalb ist es ungeheuer wichtig, herauszufinden, wer außer dir noch Zugriff auf den Gurt hatte. Wo hat er ihn denn aufbewahrt?«
Endlich griff Martha nach der Tasse, die ihr Fanni noch immer hinhielt, und trank einen Schluck. »Danach hat mich dieser Kommissar auch gefragt«, sagte sie dann. »Ich habe ihm unser Ausrüstungslager gezeigt.« Sie lächelte trübselig. »Erinnerst du dich noch? Bei uns im Keller gibt es einen großen Raum mit Regalen, Schränken und Wandborden, in dem die gesamte Bergsteigerausrüstung von Willi, Toni, Gisela und mir verstaut ist.«
»Als wir damals unsere Bergtouren zusammen unternommen haben«, sagte Fanni, »habt ihr noch drüben im jetzigen Bürogebäude gewohnt. Und Gisela und Toni haben sich nach ihrer Hochzeit die alte Hausmeisterwohnung hinter den Ausstellungsräumen hergerichtet.«
Martha strich sich über die Stirn. »Ach, natürlich, das Haus ist ja erst später fertig geworden.«
»Wer hat denn alles Zugang zu diesem Ausrüstungslager?«, fragte Fanni.
»Es ist nicht abgeschlossen, falls du das meinst«, antwortete Martha. »Jeder, der ins Haus kommt, könnte sich auch in den Keller schleichen und dort herumkramen.«
»Wer kommt denn ins Haus?«, fragte Fanni.
Martha sah sie verwirrt an.
»Die Putzfrau«, schlug Fanni vor, »Verwandte oder Freunde, die euch besuchen, womöglich ein paar Tage bleiben; der Kaminkehrer, der es aus welchen Gründen auch immer auf Willi abgesehen hat.«
Martha schüttelte den Kopf. »Ich mache immer selbst sauber. Freunde und Verwandte kommen zwar häufig zum Kaffeetrinken oder zum Abendessen, aber über Nacht bleibt selten jemand. Eigentlich nie. Mit dem Kaminkehrer hatte Willi überhaupt nichts zu tun – der wendet sich an mich, wenn er kommt –, und Wasser- oder Stromableser gibt es bei uns schon lang nicht mehr. Die Stadtwerke schicken ein Formular, in das man den Verbrauch selbst eintragen muss.«
Schon mal was von Einbruch gehört?
Fanni stellte die Teetassen auf dem Couchtisch ab. »Wie sicher ist dieser Kellerraum? Gibt es ein Fenster, durch das man einsteigen könnte?«
»Sieh ihn dir selbst an«, sagte Martha und erhob sich.
Sie stiegen eine breite Treppe hinunter und
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