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Magermilch

Magermilch

Titel: Magermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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Blick über den würfelförmigen Bau an der Hauptstraße schweifen, in dem sich die Verkaufs- und Ausstellungsräume befanden, schwenkte ihn langsam zu dem Werkstattgebäude, in dem die Stolzer’schen Holzwaren bearbeitet wurden. Soweit Fanni wusste, produzierte Stolzer & Stolzer keine eigene Ware. Die Firma betrieb ausschließlich Handel mit Produkten anderer Hersteller. Deshalb kam sie auch mit relativ wenig Angestellten – hauptsächlich Verkäufer – und mit einer relativ kleinen Werkstatt aus, in der sich die Tätigkeit auf Säge- und Schleifarbeiten beschränkte. Den größten Teil des Firmengeländes beanspruchten die Hallen, in denen die Stolzers ihre Ware lagerten.
    Müßig beobachtete Fanni einen mit weiß lackierten Brettern beladenen Gabelstapler, der rückwärts aus einer der Lagerhallen stieß, einen Rechtsschwenk vollführte und dann auf eine Rampe zuhielt, an der ein Lastwagen wartete.
    Ansonsten rührte sich nichts in diesem rückwärtigen Teil des Geländes. Da sich die Geschäftsräume direkt an der Hauptstraße befanden, an der auch der große Kundenparkplatz lag, hatten hier hinten weder Käufer noch Firmenvertreter etwas zu suchen.
    Der Gabelstapler lud seine Fracht ab und kehrte zum Eingang der Lagerhalle zurück. Fanni sah ihm nach, als er langsam darin verschwand. Dann drehte sie sich um und wandte sich dem Kiesweg zu, der von der Hecke zum Wohnhaus führte.
    Da hörte sie einen Ausruf.
    Fanni blieb stehen und schaute zurück.
    Nun geh schon weiter! In den Hallen wird verladen, da sind Zurufe üblich!
    Das war ein Schrei.
    Der Fanni Rot nicht das Geringste angeht!
    Fanni stand noch unschlüssig da, als der Staplerfahrer aus der Tür der Halle kam. Er stützte einen Mann, dem Blut vom Kopf lief.
    Fanni rannte den beiden entgegen.
    »Wir müssen den Fritz ins Haus bringen«, rief der Staplerfahrer. »Er braucht einen Arzt. Sagen Sie Frau Stolzer Bescheid.«
    Fanni hoffte, dass der Verletzte mit Hilfe seines Kollegen den Weg bis zum Haus schaffen würde, und eilte ihnen voraus.
    »Fritz!«, schrie Martha, als sie auf Fannis Klingeln hin die Tür öffnete und die beiden Männer hinter Fanni im Blickfeld erschienen.
    Ein Freund der Familie?, fragte sich Fanni.
    Sicher, sonst würde man ihn wohl nicht ins Haus bringen, sondern im Sanitätszimmer des Betriebs behandeln!
    Fritz wurde auf das Sofa im Wohnzimmer gebettet. Der Mann, der ihn gestützt hatte, legte ihm kurz die Hand auf die Schulter, nickte Martha zu und verließ das Haus.
    Martha telefonierte bereits.
    »Der Doktor ist gleich da«, rief sie, nachdem sie aufgelegt hatte, und lief hinaus in den Flur, offensichtlich in der Absicht, den Arzt hereinzulassen.
    So schnell! Kommt der auf einem fliegenden Teppich?
    Fanni wandte sich dem Verletzten auf dem Sofa zu. Er hatte die Augen geschlossen und die Arme auf der Brust überkreuzt wie ein aufgebahrter Siouxkrieger.
    Ohnmächtig?
    Fanni registrierte, dass das Blut auf seiner Stirn bereits zu trocknen begann. Plötzlich hörte sie ein Stöhnen.
    Doch nicht ohnmächtig!
    Sie beugte sich zu dem Mann hinunter und betrachtete sein Gesicht. Die Haut spannte sich aschfahl und schier durchsichtig über die Wangenknochen.
    Es könnte gut sein, überlegte Fanni, dass sich der Bursche außer der Kopfwunde noch weitere Blessuren zugezogen hat – inwendig vielleicht?
    Sie wagte nicht, den noch immer reglos Daliegenden zu berühren. Einen Moment lang flatterten seine Lider, öffneten sich jedoch nicht.
    Keine fünf Minuten waren vergangen, da erschien Martha wieder. Sie kam in Begleitung eines älteren Herrn, der einen Arztkoffer trug.
    »Dr. Berger«, stellte sie ihn Fanni vor. »Unser Nachbar, unser Freund und Helfer. Obwohl er längst im Ruhestand ist, dürfen wir jederzeit nach ihm telefonieren. Erst letzte Woche hat er Willi einen Span…« Sie schluckte und biss die Zähne aufeinander.
    »Na, Fritz, was hast du denn angestellt?«, fragte Dr. Berger.
    »Schlag bekommen«, flüsterte Fritz heiser.
    »Einen Schlag auf den Kopf?«, erkundigte sich Dr. Berger befremdet und machte sich an der Wunde zu schaffen. »Wodurch?«
    »Fritz Maurer ist unser unentbehrlicher Geschäftsführer«, sagte Martha leise zu Fanni.
    »Du hast innerhalb von zwei Tagen einen Geschäftsführer gefunden?«, fragte Fanni erstaunt.
    Martha schaute sie verdutzt an, dann schien sie zu begreifen. »Fritz arbeitet schon über ein Jahr für uns. Wir brauchten einen Betriebsleiter, der sich hier und in den Niederlassungen um die

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