Maggie O´Dell 01 - Das Boese
Männlichkeit und seinen Charme, sondern auch noch den Verstand.
Doch wie er so im Dunkeln neben ihr saß, gab sie ihm neue Kraft. Er musste stark sein für Timmy, und er konnte es, solange er nicht allein war. Zum ersten Mal merkte er, dass er einen anderen Menschen brauchte.
Er konnte seine Verzweiflung und die Erinnerung an Danny Alverez verdrängen. Timmy musste gerettet werden. Es durfte nicht zu spät sein! Er trat aufs Gas, und der Jeep schlingerte über den Highway. Hier und da lagen noch Schneewehen, doch der Wind hatte sich gelegt.
„Vielleicht solltest du mich aufklären“ , bat er ruhig. „Warum fahren wir mitten in der Nacht zu einem Friedhof?“
„Ich weiß, deine Männer haben die alte Kirche überprüft. Aber was ist mit dem Tunnel?“
„Der Tunnel? Ich denke, der ist schon Vorjahren eingestürzt.“
„Bist du sicher?“
„Nein. Eigentlich habe ich ihn nie gesehen. Als Kind hielt ich ihn für eine Erfindung, um uns abzuschrecken, damit wir nicht im Dunkeln bei der alten Kirche herumlungerten. Es gab Geschichten, dass sich die Toten aus den Gräbern erheben und durch den Tunnel kriechen. Sie finden angeblich den Weg zur Kirche, um ihre verdammten Seelen zu läutern.“
„Klingt nach einem idealen Ort für einen Mörder, der an Läuterung glaubt.“
„Du denkst, er hält Timmy dort gefangen? In einem Loch im Boden?“ Er dachte an Maggies Geschichte von dem Vater, der seinen Sohn im Hinterhof eingegraben hatte. Wieder trat er aufs Gas, was ihm einen besorgten Blick von Maggie eintrug.
„Es ist nur eine Ahnung“ , sagte sie, doch ihr Ton verriet, es war mehr als das. „Ich glaube, wir haben nichts zu verlieren, wenn wir es überprüfen. Ray Howard sagte, er schlage dort Holz. Er weiß etwas. Vielleicht hat er etwas gesehen?“
„Ich kann nicht fassen, dass du ihn hast gehen lassen.“
„Er ist nicht unser Täter, Nick. Aber ich denke, er kennt ihn.“
„Du bist überzeugt, es ist Keller, nicht wahr?“ Er warf ihr einen Seitenblick zu, doch sie hatte das Gesicht abgewandt und blickte wieder in die dunkle Landschaft.
„Keller hätte leicht mein Handy in Ray Howards Zimmer legen können. Er hatte Zugang zum Pickup. Und er hat diese sonderbaren Gemälde von gequälten Märtyrern an der Wand, denen ein Kreuz in die Brust geschnitten wurde.“
„Der Typ hat einen schlechten Kunstgeschmack, das macht ihn noch nicht zum Mörder. Außerdem könnten die Bilder jemand anders zu den Taten inspiriert haben.“
„Keller kannte alle drei Jungen.“
„Alle fünf sogar“ , räumte Nick ein. „Lucy und Max haben alte Teilnehmerlisten und Anmeldungen ausgegraben. Eric Paltrow und Aaron Harper waren im Sommer vor ihrer Ermordung im Zeltlager der Kirche. Das bedeutet allerdings, dass Ray Howard auch alle fünf Jungen kannte.“
„Es geht um mehr, Nick. Ich glaube, unser Täter will die Jungen vor etwas bewahren und macht sie zu Märtyrern. Die meisten Serienmörder töten aus Vergnügen, zur sexuellen Befriedigung oder aus einem egozentrischen Drang heraus. Etwas macht Klick in diesen Typen und schickt sie auf ihre Mission. Pater Keller passt in dieses Profil. Wer sonst würde seinen Opfern die Letzte Ölung geben, wenn nicht ein Priester? Und wer sonst hätte die ideale Gelegenheit gehabt, Pater Francis die Kellertreppe hinabzustoßen und ihn so aus dem Weg zu räumen?“
„Mein Gott, Maggie, du lässt die Sache nicht ruhen?“
„Das muss ich wohl. Da er keine Verwandten hat, kann die Erzdiözese über seinen Leichnam bestimmen, und die sehen keinen Anlass für eine Autopsie.“
Sie schwiegen eine Weile. Falls Pater Francis die Kellertreppe hinuntergestoßen worden war, konnte Nick sich durchaus vorstellen, dass Ray Howard dazu fähig gewesen wäre. Er fragte sich, was Pater Francis Maggie Wichtiges hatte mitteilen wollen.
„Vielleicht verstehen wir das alles ganz falsch“ , spann er seinen Gedanken weiter. „Vielleicht ist Pater Keller in die Sache verwickelt, indem er jemanden schützt.“
„Wie meinst du das?“
„Pater Francis konnte uns nichts über Jeffreys Beichte erzählen. Stell dir vor, unser Täter beichtete bei Pater Keller?“
Maggie saß still da und erwog die Möglichkeit. Vielleicht war das gar nicht so weit hergeholt.
Plötzlich sagte sie aus dem Dunkeln: „Wusstest du, dass Ray Howard und Eddie Gillick Freunde sind?“
78. KAPITEL
Christine ahnte, dass ihr Zorn sie vorübergehend unzurechnungsfähig gemacht hatte. Andernfalls wäre sie kaum in
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