Maggie O´Dell 01 - Das Boese
hochgekämpft hatte, wurde ihr beim Anblick des eigenen Blutes jedoch schwindlig und übel. Der verschmutzte rote Pulli war an der Seite so mit Blut getränkt, dass er schwarz wirkte.
Sie schob sich das Haar aus der schweißbedeckten Stirn und bemerkte, dass auch die Hand voller Blut war. Vorsichtig zog sie die Jacke aus und zerrte so lange am Futter, bis sie ein genügend großes Stück abgerissen hatte, um ihre Wunde damit abzudecken. Sie wickelte Schnee hinein, drückte das Polster auf die Verletzung und sah plötzlich Sterne. Sie kniff kurz die Augen zusammen gegen den Schmerz. Als sie sie öffnete, entdeckte sie einen dunklen Schatten auf sich zukommen. Er torkelte zwischen den Grabsteinen hindurch wie ein Betrunkener. Sie langte nach ihrer Waffe, doch die Finger ertasteten nur das leere Holster. Natürlich, ihre Waffe lag unten in einer dunklen Ecke.
„Maggie?“ rief der Betrunkene, und sie erkannte Nicks Stimme. Vor Erleichterung vergaß sie für ein paar Sekunden ihre Schmerzen. Nick war mit Erde und Schmutz bedeckt, und sein Geruch, als er sich neben sie kniete, verursachte ihr Übelkeit. Trotzdem lehnte sie sich an ihn und ließ sich gern umarmen.
„Mein Gott, Maggie, alles okay mit dir?“
„Ich glaube, es ist nur eine Fleischwunde. Hast du ihn gesehen, hast du ihn geschnappt?“
Sie las ihm die Antwort vom Gesicht ab, das nicht nur Enttäuschung ausdrückte, sondern Verzweiflung. „Vermutlich ist da unten ein Gewirr von Tunneln, und ich habe den falschen genommen“ , erklärte er atemlos.
„Wir müssen ihn aufhalten. Er ist wahrscheinlich zur Kirche und hält dort Timmy fest.“
„Stimmt.“
„Was?“
„Ich habe den Raum gefunden, wo Timmy gefangen war. Er hat seinen Mantel dagelassen.“
„Dann müssen wir Timmy suchen!“ Sie wollte aufstehen, fiel aber in seine Arme zurück.
„Ich glaube, wir kommen zu spät, Maggie.“ Sie hörte, wie die Verzweiflung ihn zu übermannen drohte. „Ich ... ich habe auch ein blutiges Kissen gesehen.“
Sie lehnte den Kopf an seine Brust und lauschte auf sein Herzklopfen und die unregelmäßigen Atemzüge. Nein, die kamen von ihr.
„Mein Gott, Maggie, du blutest stark. Ich muss dich ins Krankenhaus bringen. Ich will nicht zwei geliebte Menschen in einer Nacht verlieren.“
Er stützte sie, während er sich, immer noch wackelig auf den Beinen, erhob. Sie hielt sich an ihm fest und begann aufzustehen. Der Schmerz kam in feurigen Schüben, versengend, reißend, wie glühendes Glas, das sich immer weiter in ihr Inneres fraß. An seinen Arm geklammert, fragte sie sich, ob sie richtig gehört hatte. Hatte er sie einen geliebten Menschen genannt?
„Nein, Maggie, ich sollte dich zum Jeep tragen.“
„Ich habe gesehen, wie du gehst, Morrelli. Da versuche ich es lieber auf meinen eigenen zwei Beinen.“ Sie zog sich hoch und biss die Zähne zusammen gegen den ständigen Schmerz.
„Halte dich einfach an mir fest.“
Sie waren fast am Jeep, als ihr die Kiste einfiel.
„Nick, warte, wir müssen zurück.“
91. KAPITEL
Christine starrte zum Himmel hinauf und fand leicht den großen Bären, das einzige Sternbild, das sie am Nachthimmel überhaupt kannte. Auf dem weichen Bett aus Schnee und unter der wunderbar warmen, kratzigen Wolldecke merkte sie kaum, dass sie neben der Straße lag. Und wenn sie atmen könnte, ohne Blut zu husten, könnte sie vielleicht auch schlafen.
Die Realität schlich sich in Form von Schmerzen und kurzen Erinnerungen ein. Eddie, der ihre Brüste streichelte. Metall, das gegen ihre Beine schlug und ihr die Brust quetschte. Und Timmy. O Gott, Timmy! Sie schmeckte Tränen und versuchte sie zu unterdrücken. Sie wollte sich aufrichten, doch ihr Körper gehorchte nicht. Er verstand ihre Befehle nicht. Könnte sie nicht einfach aufhören zu atmen, wenigstens für ein paar Minuten?
Die Scheinwerfer kamen aus dem Nichts, bogen um die Kurve und blendeten sie. Sie hörte Bremsen quietschen, Reifen blockierten, und Kies spritzte gegen Metall. Zwei gestreckte Gestalten stiegen aus dem Fahrzeug und kamen auf sie zu. Sie glaubte, es seien Außerirdische mit aufgeblasenen Köpfen und vorstehenden Insektenaugen. Dann erkannte sie, dass es die Hüte waren, die ihre Köpfe so groß machten.
„Christine! Großer Gott im Himmel, das ist Christine!“
Lächelnd schloss sie die Augen. Sie hatte noch nie so viel Angst und Panik in der Stimme ihres Vaters gehört. Wie vollkommen unangemessen von ihr, sich darüber zu freuen.
Als ihr Vater
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