Maggie O´Dell 01 - Das Boese
zurück, wobei er es sorgfältig auf die weiche Baumwolle von Knabenunterhosen bettete.
9. KAPITEL
Timmy Hamilton schob die Hand seiner Mutter fort, als sie auf den Stufen von St. Margaret stehen blieben. Schlimm genug, dass sie zu spät kamen, er wollte nicht auch noch, dass seine Mom sich vor den Augen seiner Freunde an ihm zu schaffen machte.
„Lass das, Mom. Es können alle sehen.“
„Ist das eine neue Prellung?“ Sie umfasste sein Kinn und hob sacht sein Gesicht an.
„Ich bin beim Fußballtraining mit Chad zusammengestoßen. Keine große Sache.“ Er legte eine Hand auf die Hüfte, wie um die größere Prellung dort zu verbergen.
„Du musst vorsichtiger sein, Timmy. Du bekommst so leicht blaue Flecke. Ich muss nicht ganz bei Trost gewesen sein, als ich dir erlaubt habe, Fußball zu spielen.“
Sie öffnete die Handtasche und suchte etwas.
„Ich komme zu spät! Die Messe fängt in ‘ner Viertelstunde an!“
„Ich dachte, ich hätte dein Anmeldeformular und den Scheck für das Zeltlager dabei.“
„Mom, ich bin schon spät dran!“
„Okay, okay.“ Sie ließ die Tasche zuschnappen. „Sag Pater Keller, dass ich es morgen in die Post gebe.“
„Kann ich jetzt gehen?“
„Ja.“
„Willst du nicht auch noch meine Unterwäsche kontrollieren oder so?“
„Naseweis.“ Sie gab ihm lachend einen Klaps auf den Hosenboden.
Es gefiel ihm, wenn sie lachte. Das tat sie nicht mehr oft, seit sein Dad weg war. Wenn sie lachte, glätteten sich die Linien in ihrem Gesicht, und in den Wangen erschienen Grübchen. Dann wurde sie die schönste Frau, die er kannte, besonders jetzt mit dem seidigen blonden Haar. Sie war fast hübscher als Miss Roberts, seine Lehrerin in der vierten Klasse. Aber Miss Roberts hatten sie letztes Jahr gehabt. In diesem Jahr hatten sie Mr. Stedman, und obwohl erst Oktober war, hasste er dieses Schuljahr bereits. Er lebte für das Fußballtraining - und für den Job als Messdiener bei Pater Keller.
Als seine Mom ihn im Juli ins Ferienlager der Kirche geschickt hatte, war er wütend gewesen. Aber bei Pater Keller hatte es unheimlich Spaß gemacht. Es war ein toller Sommer geworden, und sein Dad hatte ihm fast nicht gefehlt. Und dann kam das Beste, als Pater Keller ihn gefragt hatte, ob er nicht Messdiener bei ihm sein wollte. Obwohl er und seine Mom erst seit dem Frühling zur Gemeinde von St. Margaret gehörten, wusste er, dass Pater Kellers Messdiener eine handverlesene Truppe waren, die besondere Belohnungen bekamen wie beispielsweise den bevorstehenden Campingausflug.
Timmy klopfte an die verzierte Tür zum Vestibül der Kirche. Als niemand antwortete, schob er sie vorsichtig auf und lugte hinein. Er fand ein Messdienergewand in seiner Größe unter all den anderen im Schrank, riss es eilig vom Bügel und versuchte, die verlorene Zeit aufzuholen. Er warf seine Jacke quer durch den Raum auf einen Stuhl und erschrak, als er den Priester neben dem Stuhl knien sah. Sein gerader Rücken war ihm zugewandt, doch Timmy erkannte Pater Keller an dem dunklen, lockigen Haar, das ihm über den Kragen fiel. Sein schmaler Körper ragte über den Stuhlhinaus, obwohl er kniete. Er verharrte still und ruhig, obgleich die Jacke ihn beinah getroffen hätte.
Timmy starrte ihn mit angehaltenem Atem an und wartete, dass der Priester zuckte, sich regte oder atmete. Schließlich hob er einen Arm und schlug das Kreuzzeichen. Behende richtete er sich auf, wandte sich Timmy zu und legte die Jacke ordentlich über die Armlehne des Stuhls.
„Weiß deine Mom, dass du deine Sonntagssachen herumwirfst?“ Sein Lächeln ließ weiße, gleichmäßige Zähne und hellblaue Augen erstrahlen.
„Tut mir Leid, Pater. Ich habe Sie nicht gesehen, als ich reinkam. Ich hatte Angst, ich würde zu spät kommen.“
„Kein Problem, wir haben noch jede Menge Zeit.“ Er wuschelte Timmy das Haar und ließ die Hand einen Moment auf seinem Kopf liegen. Timmy fühlte sich augenblicklich besser, ja sogar wohl. Er durfte es ja nicht laut zugeben, aber er mochte Pater Keller fast lieber als seinen Dad. Pater Keller schrie nie, seine Stimme war sanft und tröstend, tief und kraftvoll. Mit den großen Händen tätschelte und streichelte er - sie straften nicht.
Wenn Pater Keller mit ihm sprach, hatte Timmy das Gefühl, wichtig und etwas Besonderes zu sein. Im Gegenzug versuchte er ihm Freude zu machen, obwohl er bei seinen Aufgaben als Messdiener noch einiges durcheinander brachte. Am letzten Sonntag hatte er zwar das
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