Maggie O´Dell 02 - Das Grauen
geachtet hatte, wusste sie auch noch, dass diese hier nicht ungewöhnlich war, doch ausreichend für den normalen Hausbesitzer. Die meisten Menschen mussten sich ja nicht vor Serienkillern schützen.
„Haben Sie etwas dagegen, wenn wir uns umsehen?“ fragte Agent Tully, doch Maggie war bereits die offene Treppe hinaufgeeilt , als sie Miss Hestons Ausruf hörte: „Ach du großer Gott!“
Maggie beugte sich über das Eichegeländer und sah Miss Heston auf eine Aktentasche in der Ecke des Wohnzimmers deuten.
„Die gehört Tess!“ Bisher hatte sich die Maklerin sehr professionell verhalten. Ihre plötzliche Panik war enervierend.
Als Maggie wieder herunterkam, hatte Agent Tully die Aktentasche bereits an sich genommen und holte mit Hilfe eines weißen Taschentuchs den Inhalt heraus.
„Ausgeschlossen, dass Tess die hat liegen gelassen und nich’ wiedergekommen ist, die zu holen!“ Vor Aufregung sprudelten ihre Worte nur so hervor, und ihre gepflegte Sprechweise bekam einen Hauch von Slang, in dem sie sich offenbar wohler fühlte. „Da is’ ihr Terminkalender, ihr Notizbuch ... großer Gott, da stimmt doch was nich’!“
Maggie sah zu, wie Agent Tully den letzten Gegenstand aus der Tasche herausholte, ein Schlüsselbund mit gekennzeichneten Schlüsseln. Ohne genauer hinzusehen, wusste Maggie, dass es die Schlüssel zu diesem Haus waren. Ihr wurde flau im Magen. Tess McGowan hatte das Haus gestern jemand gezeigt, und sie hatte es zweifellos nicht aus freiem Willen verlassen.
38. KAPITEL
„Wir wissen nicht, ob Stucky etwas damit zu tun hat“, versuchte Tully sie zu überzeugen, war aber nicht sicher, ob er es selbst glaubte.
Offenkundig war es seine Aufgabe, objektiv zu bleiben. Seit Miss Heston sie verlassen hatte, wirkte Agentin O’Dell ziemlich aufgelöst. Der ruhige, beherrschte Profi eilte mit Riesenschritten hin und her. Viel zu oft fuhr sie sich mit den Fingern durch die kurzen schwarzen Haare, strich sie sich immer wieder hinter dieOhren, lockerte sie auf und strich sie wieder glatt. Sie sprach in knappen Sätzen mit angespannter Stimme, und Tully glaubte, er habe ihre Stimme einige Male beben gehört.
Maggie schien nicht zu wissen, was sie mit ihren Händen anstellen sollte, vergrub sie tief in den Hosentaschen und fuhr sich dann wieder rasch durch die Haare. Ein paar Mal schob sie sie in die Jackentasche, um ihren Revolver zu kontrollieren. Tully wusste nicht, was er mit ihr anfangen sollte. Diese Aufgeregtheit passte so gar nicht zu der Frau, mit der er den Tag im Einsatz verbracht hatte.
Mit Einbruch der Dunkelheit war Agentin O’Dell durch das zweistöckige Haus gegangen und hatte überall Licht eingeschaltet und die Vorhänge zugezogen. Zuvor hatte sie jedoch an jedem Fenster in die Nacht hinausgestarrt. Erwartete sie etwa, dass Stucky noch hier war?
Jetzt überprüfte sie ein zweites Mal das Erdgeschoss. Tully fand es an der Zeit zu gehen. Das Haus war makellos sauber. Obwohl das große Schlafzimmer stark nach Ammoniakreiniger roch, gab es keine Spuren, die auf ein Verbrechen hindeuteten. Schon gar nicht auf brutalen Mord oder eine gewalttätige Entführung.
„Es gibt keinen Anhaltspunkt, dass hier irgendwas passiert ist“, versuchte er sie zu überzeugen. „Ich denke, es ist Zeit zu gehen.“ Er sah auf die Uhr und bemerkte entsetzt, dass es schon nach neun war. Emma würde wütend sein, weil sie den ganzen Abend bei Mrs. Lopez bleiben musste.
„Tess McGowan war die Immobilienmaklerin, die mir mein Haus verkauft hat“, wiederholte Maggie. Etwas anderes hatte sie ihm in den letzten Stunden kaum gesagt. „Erkennen Sie es denn nicht? Begreifen Sie den Zusammenhang nicht?“
Er wusste genau, was sie dachte. Exakt dasselbe wie er. Albert Stucky wusste, dass sie eine Kundin von Tess war, weil er sie ständigbeschattete. Er hatte sie zusammen gesehen, ebenso wie das Mädchen vom Pizzadienst und die Kellnerin in Kansas City. Leider fehlte jedoch ein konkreter Beweis, dass Tess entführt worden war. Eine vergessene Aktentasche war nicht beweiskräftig. Außerdem wollte er O’Dells Panik keine zusätzliche Nahrung geben.
„Im Augenblick gibt es keinen schlüssigen Hinweis, dass Miss McGowan entführt wurde. Wir können hier nichts weiter tun. Wir müssen es für heute gut sein lassen. Vielleicht stöbern wir Miss McGowan morgen auf.“
„Wir werden sie nicht aufstöbern. Er hat sie mitgenommen.“ Das Beben in der Stimme war unüberhörbar, obwohl sie ihr Bestes gab, es zu
Weitere Kostenlose Bücher