Magic Cleaning
geklärt haben. Fahren Sie erst dann mit dem Ausmisten fort.
Ich möchte Ihnen eine kleine Anekdote aus meinem eigenen Aufräumleben erzählen. Früher war ich geradezu eine «Wegwerfmaschine». Seit ich im Alter von 15 Jahren das Buch «Die Kunst des Wegwerfens» gelesen hatte, wurde meine Beschäftigung mit dem Aufräumen fast zur Manie. Ich brannte vor Neugierde, alles über das Thema zu erfahren und mein Wissen in der Praxis umzusetzen. Die Zimmer meiner Geschwister, den Gemeinschaftsschrank in der Schule – wann immer ich ein neues «Opfer» fand, machte ich mich heimlich ans Aufräumen. Ich dachte an nichts anderes mehr. Mein Selbstvertrauen, jede erdenkliche Stelle in Eigenregie aufräumen zu können, war riesig.
Das Wegwerfen, Ausmisten und Entrümpeln hatte es mir damals in besonderer Weise angetan. Ich war begeistert davon, welche Mengen man wegwerfen konnte. Ein Kleidungsstück, das zwei Jahre lang nicht getragen worden war: wegwerfen. Wenn man ein neues Kleidungsstück kauft, muss man ein altes wegwerfen. Wenn im Zweifel, dann immer wegwerfen. Ich befolgte sämtliche Tipps, Tricks und Anregungen, die ich in Aufräumbüchern gelesen hatte, und es kam schon einmal vor, dass ich im Laufe eines Monats 30 Müllsäcke vollgestopft mit den verschiedensten Dingen entsorgte. Doch so viel ich auch ausmistete, weder das Haus noch mein Zimmer wurden leerer. Noch schlimmer, irgendwie nahm der Stress zu und ich verfiel wieder einmal dem Kaufrausch. Natürlich wurde mein Besitz dadurch nicht einen Deut kleiner.
Auf der Suche nach störenden Dingen tigerte ich nervös durch das Haus – ganz vertieft in Gedanken wie «Gibt es nichts zum Wegwerfen?» oder «Gibt es nichts Störendes?», und wenn ich dann etwas fand, das offensichtlich nicht in Benutzung war, freute ich mich wie ein Schneekönig: «Na bitte, wusste ich′s doch!» Ab in den Müllsack. Psychisch ging es mir immer schlechter, ich war ständig angespannt und konnte nicht mehr richtig zur Ruhe kommen.
Eines Tages passierte Folgendes: Als ich von der Schule nach Hause kam und wie immer aufräumen wollte, öffnete ich die Tür zu meinem Zimmer und sah das übliche Durcheinander im Raum. Bei diesem Anblick machte es klick! «Ich mag nicht mehr aufräumen», schoss es mir durch den Kopf. In den drei Jahren, in denen ich nun das exzessive Wegwerfen praktiziert hatte, sollte die Zahl der Dinge doch wenigstens ein bisschen geringer geworden sein. Aber eher das Gegenteil war der Fall. Mitten im Chaos meines ungemütlichen Zimmers ließ ich mich im Schneidersitz nieder, verschränkte die Arme und dachte nach. «Warum kann ich nicht aufräumen, obwohl ich mich doch so anstrenge? Hilfe!» Vergeblich suchte ich nach dem rettenden Strohhalm. Doch es fand sich keiner. Ich sprach mit niemandem darüber, aber meine Seele schrie es förmlich hinaus: «Hilfe, Hilfe, Hilfe!»
Plötzlich meinte ich eine Stimme wahrzunehmen, als wenn das Zimmer zu mir sprechen würde: «Sieh dir die Dinge genauer an!» Ich runzelte die Stirn: «Wieso? Ich sehe sie doch jeden Tag zur Genüge …!» Schließlich schlief ich auf dem Fußboden ein, als sei ich ohnmächtig geworden. Wenn ich zu diesem Zeitpunkt nur ein wenig schlauer gewesen wäre, hätte es mir auffallen müssen – und zwar
bevor
ich wegen einer Aufräumneurose zusammenbrach: Wer beim Aufräumen nur ans Wegwerfen denkt, tut sich keinen Gefallen. Und warum? Weil man nicht in erster Linie die Dinge heraussuchen soll, die wegkommen, sondern die, die man behalten möchte. «Sieh dir die Dinge genauer an!» Als ich aufwachte, verstand ich ganz genau, was die Stimme mir sagen wollte. Bis dahin hatte ich mich nur auf das Wegwerfen konzentriert und mich allein auf die Dinge gestürzt, die mich störten. Den Dingen, die ich behalten wollte und die es verdienten, gut behandelt zu werden, konnte ich keine Beachtung schenken. Schließlich kristallisierte sich für mich das einzig wahre und einzig gültige Auswahlkriterium heraus. Es lautete: «Macht es mich glücklich, wenn ich den Gegenstand in die Hand nehme?» Heute ist genau dieser Satz, diese Frage einer der zentralen Bausteine der KonMari-Methode. Jedes Ding wird einzeln in die Hand genommen. Was Erfüllung bringt und uns glücklich macht, behalten wir, was keine Erfüllung bringt, werfen wir weg. «Erfüllung? Glück?», vielleicht schütteln einige Leser jetzt den Kopf und sagen: «Was soll so ein vages Kriterium?» Ich gebe zu, es klingt ein wenig abgehoben, wenn man es einfach
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