Magic Cleaning
hauptsächlich Teile eines ganz anderen Stils, wie zum Beispiel enge Röcke und figurbetonte Kleider. Als ich sie dazu befragte, antwortete sie: «Die habe ich alle von meiner älteren Schwester bekommen.» Schließlich waren wir mit dem Ausmisten fertig. Frau K. murmelte leise: «Warum habe ich nur so viele Dinge, die ich nicht mag, um mich herum angehäuft?» Mehr als ein Drittel der Kleidung waren Erbstücke von ihrer Schwester. Nur wenige davon brachten ihr wirklich das Gefühl von Erfüllung und Glück. Das heißt, all die anderen hatte sie zwar getragen, weil sie von ihrer Schwester stammten, aber richtig gut gefallen hatten sie ihr nie. Ist das nicht eine traurige Geschichte?
Frau K. ist kein Einzelfall – tatsächlich besitzen jüngere Schwestern in der Regel ziemlich viele Kleidungsstücke von der älteren, die aber beim Entrümpeln fast immer weggeworfen werden. Den Brauch, abgelegte Kleidungsstücke weiterzugeben, finde ich an sich ganz wunderbar. Besonders wenn mehrere Geschwister da sind, spart es eine Menge Geld. Allzu schnell sind die Kinder aus ihren Sachen rausgewachsen, obwohl diese noch gut in Schuss sind. Warum sie also nicht dem jüngeren Geschwisterchen oder einer Nichte oder einem Neffen überlassen? Außerdem ist es schön zu sehen, dass Dinge, für die wir selbst keine Verwendung mehr haben, von nahestehenden Menschen eifrig benutzt werden. Allerdings dürfen wir nicht den Fehler machen, Kleidung oder Sachgegenstände an Familienmitglieder zu «verschenken», nur weil wir selber keinen Mumm haben, sie wegzuwerfen. Dies gilt in besonderem Maße für Geschenke an die Mutter oder an die Tochter.
Sicher hat auch meine jüngere Schwester (ohne es offen zu sagen), meine «Geschenke» mit einem unguten Gefühl angenommen. Was ich getan hatte, war nichts anderes, als meine Schuldgefühle, weil ich die Dinge nicht wegwerfen konnte, unter dem Deckmäntelchen der Freundlichkeit einer anderen Person aufzubürden. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, erkenne ich, wie furchtbar egoistisch das war.
Wenn man nicht mehr benötigte Kleidungsstücke weitergibt, kann man dies mit den Worten tun: «Das schenke ich dir!» Aber dann bitte ohne Bedingungen zu stellen und ohne zu drohen, dass man sie wegwerfen würde, falls der Beschenkte sie nicht annähme. Besser noch fragt man vorher, welche Kleidungsstücke gerade gewünscht werden, und zeigt nur diejenigen, welche die Kriterien der Mutter, der Schwester, der Tochter oder der Freundin erfüllen. Man kann auch anbieten, dass an einem bestimmten Nachmittag jeder vorbeikommen kann, der Lust dazu hat, und ganz einfach aussucht und mitnimmt, was er gebrauchen kann. Denken Sie daran, wenn Sie aufräumen: Es ist kein schöner Zug und auch kein Zeichen von Großzügigkeit, anderen Menschen Dinge aufzudrücken, die diese in Wirklichkeit gar nicht gebrauchen können.
Sich selbst näherkommen
F rau KonMari, wollen Sie nicht einmal unter einem Wasserfall stehen?» Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich von einer 74 -jährigen Unternehmerin, die auch eine Klientin von mir ist, zu einem Wasserfallritual eingeladen wurde.
Ich bewundere diese überaus reizende Dame, die in ihrem fortgeschrittenen Alter immer noch geschäftlich aktiv ist, Ski fährt und in den Bergen wandert. Sie hat bereits mehr als zehn Jahre Erfahrung mit dem Wasserfallritual und genießt es in vollen Zügen. «Ich gehe mal eben zum Wasserfallritual», sagt sie, als ob sie nur ein paar Bahnen in der öffentlichen Badeanstalt schwimmen wolle. Doch es war ganz und gar kein Spaziergang, zu dem sie mich mitnahm. Schon gar nicht für mich als Anfängerin. Morgens früh um sechs Uhr verließen wir die Unterkunft. Wir folgten einem fast unsichtbaren Weg auf den Berg, kletterten über Zäune, durchwateten das knietiefe Wasser des Flusses und gelangten schließlich an einen einsam gelegenen Wasserfall.
Wenn Sie mich jetzt fragen, warum ich Ihnen diese Geschichte erzähle, so kann ich nur sagen, dass es a) ein sehr ergreifendes Erlebnis ist und b) das Wasserfallritual und das Aufräumen eine Gemeinsamkeit haben. Während man unter dem Wasserfall steht, ist nichts anderes als ein lautes Tosen zu hören. Das Wasser prasselt auf den ganzen Körper. Der Schmerz vergeht schnell, und bald fühlt man gar nichts mehr. Dann fängt der Körper an zu pulsieren, und man gleitet in einen ruhigen, meditativen Zustand. Obwohl ich das erste Mal an einem solchen Ritual teilnahm, erschien es mir vertraut, weil ich so etwas
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