Magic Cleaning
kann nicht angehen, dass die Mutter kein eigenes Zimmer hat (obwohl der Platz ja da wäre), nur weil die Tochter ihre unerwünschten Dinge im Elternhaus deponiert.
Sofort rief ich Frau A. an. «Bis Ihre Sachen im Elternhaus nicht entrümpelt beziehungsweise aufgeräumt sind, haben sowohl Sie als auch Ihre Mutter den Kurs nicht erfolgreich beendet.» Die klaren Worte zeigten Wirkung, wie ich in der letzten Unterrichtsstunde bei Frau A. feststellen durfte. «So, nun kann ich mich unbeschwert auf den Rest meines Lebens freuen!», lachte sie mich munter an. Offensichtlich hatte sie tatsächlich den ganzen Kram aussortiert. Sie berichtete mir, dass sie bei der Durchsicht der Kisten ein Tagebuch gefunden habe, in dem sie ihre glühende erste Liebe festgehalten hatte, dazu Fotografien ihres Exfreundes und eine schier unendliche Anzahl von Briefen und Neujahrskarten … «Letztendlich wollte ich mit dem Nach-Hause-Schicken nur vertuschen, dass ich diese Dinge nicht wegwerfen konnte. Als ich dann jedes einzelne Stück wieder in der Hand hatte, spürte ich noch einmal, wie sehr ich in dieser Zeit mein Leben genossen habe. Ich bedankte mich für das damals empfundene Glück und warf Stück für Stück weg. Da hatte ich zum ersten Mal den Eindruck, mich mit meiner Vergangenheit auseinandergesetzt zu haben.»
Genau das ist es: Indem wir uns mit unseren Erinnerungsstücken konfrontieren, sie berühren, den Emotionen nachspüren und sie dann erst wegwerfen, können wir aktiv und auf erwachsene Art und Weise mit der Vergangenheit abschließen. Solange sentimental oder nostalgisch stimmende Gegenstände unsere Schubladen, Kisten und Kästen bevölkern, werden sie uns immer wieder in die Vergangenheit zurückziehen und uns damit unbewusst belasten. Gründlich aufzuräumen bedeutet, einen Haken an das Gestern zu machen. Erinnerungsstücke gründlich aufzuräumen bedeutet noch ein bisschen mehr, nämlich mit der Vergangenheit abzuschließen und damit den Grundstein für einen gelungenen Start in ein neues Leben zu legen.
Fotografien: «Wer bin ich heute?» statt: «Wer war ich gestern?»
A ls letzte Gruppe aus der Reihe der Erinnerungsstücke werden wir nun die Fotografien aussortieren und aufräumen. Warum als letzte? Dafür gibt es zwei Gründe. Der erste Grund ist folgender: Wenn Sie bisher die Dinge in der von mir empfohlenen «richtigen Reihenfolge» ausgemistet haben, ist Ihnen im Laufe des Prozesses bestimmt aufgefallen, dass Sie an den unterschiedlichsten Stellen immer wieder auf Fotos gestoßen sind. Fotos, Fotos und noch mehr Fotos! Teilweise in Alben eingeklebt, manchmal auch einzeln in einem Umschlag mit einer Neujahrskarte zusammen oder auch in genau der Labortasche, in der Sie vor langer Zeit die Abzüge aus dem Fotoladen abgeholt haben (die meisten Menschen heben ihre Fotos in Labortaschen auf). Da die bunten Bilder der Vergangenheit beim Aufräumen wirklich aus den unglaublichsten Ritzen hevorzukriechen scheinen, ist es am effektivsten, sie erst einmal an einer Stelle zu sammeln und zunächst die anderen Dinge unter Dach und Fach zu bringen.
Der zweite Grund, Fotos bis zum Schluss zurückzustellen, besteht darin, dass wir es hier mit einer Kategorie zu tun haben, für die man zu den Fortgeschrittenen im Aufräumen gehören sollte. Mit dem Sichten und Ausmisten beginnen wir erst, wenn wir unsere Urteilskraft trainiert haben und zweifelsfrei unterscheiden können, was uns glücklich macht und was nicht. Wenn wir in diesem Punkt noch zu unsicher sind, kommen wir gerade bei einem so emotionalen Thema wie Fotografien ins Schleudern, und das Aufräumen zieht sich ewig hin.
Doch Sie haben ja die Dinge in der richtigen Reihenfolge (Bekleidung, Bücher, Papiere und Kleinkram) aussortiert und sind jetzt schon fast ein Profi. Sie brauchen also keine Komplikationen zu befürchten. Allerdings ist die Methode (es ist wie immer die KonMari-Methode) des Aussortierens im Falle von Fotos relativ mühsam und zeitaufwendig. Versprechen Sie sich selbst (und mir), dass Sie sie trotzdem anwenden. Es geht leider nicht anders, als dass Sie jedes Bild einzeln betrachten und beurteilen. Dazu ist es auch erforderlich, Fotos, die in Alben stecken, herauszunehmen. Auf diese dringende Empfehlung reagieren die meisten meiner Klienten mit einem energischen «nein, niemals, viel zu umständlich», aber das ist nur die typische Abwehrreaktion derer, die noch nie
wirklich
Fotos aussortiert haben. Wir sind es einfach nicht gewohnt, eine Fotografie als
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