Magic Cottage
diskutieren, nicht jetzt, da die Verhandlungen auf des Messers Schneide standen. Dessen ungeachtet stimmte Midge jedoch eifrig zu.
»Das ist es, was Gramarye jetzt so dringend notwendig braucht, Mr. Ogborn — Leben in seinen Wänden.«
Ich konnte keinerlei Unmut über diese Störung im festen Blick des Verwalters bemerken, fügte aber sicherheitshalber doch rasch hinzu: »Schließlich wird jedes unbewohnte Haus zu einem Mausoleum, nicht wahr? Abgestanden und vom Verfall gezeichnet. Es hilft schon eine Menge, sie einmal gut durchzulüften. Wissen Sie, manchmal — «
»Darf ich Ihnen eine persönliche Frage stellen, Miss Gud-geon?« sagte Ogborn.
»Bitte«, antwortete Midge.
»Ich habe mich gefragt, ob Sie irgendeine Laufbahn eingeschlagen haben, einen Beruf.«
»Ich bin Illustratorin.«
»Ah.« Das schien ihm zu gefallen.
»Meist illustriere ich Kinderbücher.«
»So, so.« Er betrachtete sie einige Sekunden lang sehr eingehend, und diese Aufmerksamkeit machte mich doch ein wenig perplex.
»Ich bin Musiker«, erzählte ich ihm.
»Ah, ja.« Das Lächeln kam mir plötzlich irgendwie dünner vor.
»Könnten Sie uns etwas über Flora Chaldean erzählen?« bat Midge'. »Sie muß viele Jahre auf Gramarye gewohnt haben.«
»In der Tat«, pflichtete Ogborn bei und straffte sich, soweit dies sein verkrümmter Rücken noch gestattete. »Soviel mir bekannt ist, war sie ein Waisenkind. Die Eigentümer des Hauses nahmen sie an Kindes statt an, da sie selbst keine Nachkommen hatten. Dies war kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges, und sie zogen sie wie ihre eigene Tochter auf. Ich habe keine Ahnung, wie alt sie damals war, denn in jenen schweren Zeiten erfolgte die Registrierung der Menschen noch nicht so gründlich wie heute; als sie starb, wußte keiner genau, wie alt sie war. Ich
glaube allerdings nicht, daß Jahre für Flora selbst irgendeine Bedeutung hatten.« »War sie jemals verheiratet?« bohrte Midge.
»Nur für kurze Zeit. Ihr Mann fiel im nächsten großen Krieg; ich glaube, nur zwei oder drei Jahre nach der Hochzeit. Seine Nichte war es, die das Anwesen geerbt hat, und es war verdammt schwierig, sie aufzuspüren, kann ich Ihnen sagen. Sie ist selbst bereits in den Sechzigern und hat keinerlei Interesse an Gramarye und nur wenig mehr an ihrer verstorbenen angeheirateten Tante. Ganz verständlich unter diesen Umständen.«
»Wie verdiente sich Mrs. Chaldean ihren Lebensunterhalt?«
Falls Ogborn Midges Frage für wichtig hielt, so ließ er sich dies nicht anmerken. »Oh, ihre Adoptiveltern hinterließen ihr ein kleines Vermögen,, und ich glaube, sie bekam auch die übliche kleine Kriegswitwenrente. Im allgemeinen bin ich zu der Ansicht gelangt, daß sie sich mit ihren Nachbarn auf eine Art Tausch-System geeinigt hatte, wie es in entlegeneren Landesteilen sehr beliebt ist.«
»Ein Tausch-System?« Ich wußte nicht, was das alles mit dem Kauf eines Hauses zu tun hatte, aber ich war gewillt mitzuspielen.
»Flora Chaldean stand in jener Gegend im Ruf einer Art Heilkundigen. Nichts Besonderes, verstehen Sie, aber sie stellte für die Kranken im Ort Heilsalben her und dergleichen . . . für schwere Erkältungen, Halsentzündungen und ähnliche Dinge. Im Austausch dafür versorgten sie sie; dann und wann mit einem Hähnchen oder Kaninchen oder mit Gemüse und so weiter. Kleinigkeiten, nichts Außergewöhnliches, nichts, was die Steuerbehörden interessiert hätte. Sie braute ihre Arzneien nach alten, vielleicht uralten Rezepten, wie sie über all die Jahre hinweg mündlich weitergegeben worden sind. Es will mir auch so scheinen, als habe sie sehr gut mit kranken oder verletzten Tieren umgehen können.« Ogborn blickte auf seine Hände hinab, die er auf dem Schreibtisch gefaltet hatte, und fügte — mehr zu sich selbst — hinzu: »Wirklich bemerkenswert gut.«
Es fehlte nicht viel, und ich mußte lächeln, weil ich unwillkürlich an Zaubersprüche und Hexengebräu und gekochte Kinderschenkel dachte. Falls es mir (ohne ertappt zu werden) möglich gewesen wäre, hätte ich Midge einen vielsagenden Schubs gegeben. Stattdessen warf ich ihr einen kurzen Seitenblick zu und erkannte, daß sie noch immer das beschäftigte, was Ogborn gesagt hatte.
Ich räusperte mich und wandte mich an den Anwalt: »Was den Preis betrifft...«
Seine Haltung straffte sich augenblicklich wieder. »Ja, natürlich. Ich weiß, daß Sie der Kosten wegen ziemlich besorgt sind. Ich bin bereit zu akzeptieren, daß sich der Zustand des
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