Magic Cottage
Midge lange vor mir zu begreifen begonnen hatte; aber sie hatte die Unwirklich-keit nicht in Frage gestellt sehen wollen, sie hatte sich dagegen gewehrt, daß Logik zerstörte, was in ihrem Innern wuchs und in Gramarye wiedererwachte. An diesem Nachmittag verstand keiner von uns beiden, was mit uns geschah.
»Midge, du kannst Bob fragen. Ich habe ihn für dieses Wochenende eingeladen .. .«
»Oh, großartig! Der gute Bob ist genau die Person, die ich hier sehen will!«
»Jetzt übertreibst du aber! — Warum hörst du mir nicht erst einmal zu?«
»Was denn? Wie du mir deine Halluzinationen beschreibst? -Glaubst du, das macht mir Spaß?«
»Die Tiere hier, der Vogel mit dem gebrochenen Flügel, und dann die Blumen im Garten draußen — wir haben gedacht, sie würden eingehen, aber sie haben sich erholt, und wie; nichts von all dem ist natürlich.«
»Woher willst du das wissen? Was weißt du denn schon von den Dingen, die nichts mit der Stadt zu tun haben . . . und mit der Gosse!«
Ich starrte sie entsetzt an, und sie mied meinen Blick.
Midge kauerte sich vor mir auf dem Boden nieder, und ihr Brustkorb hob und senkte sich in krampfartigen Stößen, als könne ihr Zorn kaum zurückgehalten werden. Aber dann hatte sie sich wieder gefangen, und sie sagte leise, fast ärgerlich: »Ich hab's nicht so gemeint. Es tut mir leid —«
Sie brach ab, stieß sich weg und hoch, und jetzt brachen die Tränen endlich durch und perlten über ihre regenfeuchten Wangen. Sie rannte davon und knallte die Schlafzimmertür hinter sich zu. Ich konnte ihr Schluchzen hören.
Ich saß benommen da. Auch durcheinander. Völlig. Was, zur Hölle, war geschehen? Mit mir. Mit ihr. Was, zur Hölle, war nur geschehen?
Ich schüttete den restlichen Brandy in mich hinein und erstickte fast an der rauhen Hitze, dann stellte ich das Glas auf dem Boden ab. Ich wischte mir Augen und Wangen mit beiden Händen ab und war mir nicht sicher, was feuchter war, mein Gesicht oder meine Handflächen. Ich stemmte mich hoch; ich wußte, ich durfte diese Sache nicht auf sich beruhen lassen — Midge zuliebe nicht. Ich wollte sie nicht in ihrem irrtümlichen Elend hängenlassen. — Das scharrende Geräusch hörte ich im gleichen Sekundenbruchteil. Es war hinter dem Sofa laut geworden.
Ich drehte mich um, ängstlich, weil mir noch immer jede
Orientierung schwerfiel und weil ich verwundbar war; es gab nicht mehr viel, was ich an diesem Nachmittag noch ertragen konnte. Das Geräusch wiederholte sich. Ich tappte zum Sofaende und spähte in den schattigen Abgrund zwischen der Sofalehne und der gerundeten Wand. Und war erleichtert, als ich entdeckte, wer da unten versteckt war.
Ich rückte das Sofa von der Wand weg und befreite den winzigen, zitternden Rumbo; sein Schweif war aufgeplustert, seine Pfoten gruben sich in panischer Aufregung in den Teppich.
Mit einem schnellen, verschreckten Blick auf mich schoß er aus seinem Versteck, durch das Zimmer und durch die rückwärtige Tür (die immer noch offenstand) ins Freie; gleich darauf war er im Gestrüpp verschwunden.
Ich fragte mich, warum ich das Gefühl hatte, daß soeben ein sinkendes Schiff verlassen worden war.
Näher
Nach kurzem Überlegen beschloß ich, Midge vorerst in Ruhe zu lassen: Es würde leichter sein, mit ihr zu reden, wenn sie sich beruhigt hatte. Außerdem hatte ich einen gewaltigen Mahlstrom im Kopf, den ein weiterer Brandy möglicherweise besänftigte. Ich hob das Glas auf und ging in die Küche hinunter. Unsere gesamten Alhokolvorräte (beileibe nicht viele) waren im Küchenschrank unten verstaut (was als Getränkefach so gut war wie jeder andere Ort), aber die Brandyflasche stand noch dort auf dem Tisch, wo Midge sie hatte stehenlassen.
Ich zog den Stuhl zurück und griff nach der Flasche, noch bevor ich mich setzte. Der Brandy half nicht sonderlich; natürlich nicht — aber wenigstens hatte ich etwas zu tun, während sich meine Nerven beruhigten.
Vermutlich sind Sie der Meinung, daß ich ziemlich schwer von Begriff bin; es hat tatsächlich seine Zeit gedauert, bis ich gemerkt habe, daß es dort draußen auf dem Land nicht ganz mit rechten Dingen zugeht, aber nichts von alldem, was ich bisher erwähnt habe, schien — zu der Zeit, da es geschah — unnatürlich .. . von diesem letzten Vorfall einmal abgesehen. Ungewöhnlich ja, aber nicht spektakulär. Möglich, daß es sich zu betonen lohnt: Der Verstand hat die Angewohnheit, das Unnatür-liehe natürlich erscheinen zu lassen.
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