Magic Cottage
Selbst das sich ändernde Bild konnte als Halluzination vertuscht werden (und an diesem Abend war ich davon überzeugt, daß es eine Halluzination gewesen sein mußte — allerdings keine, die durch Drogen hervorgerufen worden war, wie Midge angedeutet hatte). Es gab hier einen Überfluß an Natur, das war alles. Und die Atmosphäre des Hauses schuf ihre eigene Magie; sie schärfte unsere Sinne und verzauberte Midges und meine Kreativität. Ich glaube daran, daß bestimmte Orte das jeweils Beste oder Schlechteste eines Menschen fördern können; Gramarye war solch ein Ort, und er hatte genau das mit Midge und mir gemacht. Vielleicht hatte das trübe Wetter in den letzten Tagen die Stimmung verändert, und aus gut war jetzt schlecht geworden — und hatte etwas Schlimmes aus unserem Inneren an die Oberfläche geholt; ich hatte Midge nicht oft so erlebt, das ist sicher.
Ich saß dort unten in der Küche (in der Flora Chaldean gestorben war) und trank und grübelte — und hoffte, daß ich Rumbo nicht für immer verschreckt hatte. Weiß Gott, wie ich ihm vorgekommen sein mußte, als es mich vor dem Bild gepackt hatte; kein Wunder, daß er hinter dem Sofa auf Tauchstation gegangen war. Den Blick, den er mir zugeworfen hatte, bevor er an mir vorbeigehastet war, würde ich nie mehr vergessen; als hätte ich ihm Eichhörnchenpastete angeboten, frisch aus dem Fleischwolf.
Das Glas war bald wieder leer, und ich widerstand der Versuchung, mir noch eins einzuschenken. Mein totales Ausrasten verwirrte mich noch immer, und gewisse Bemerkungen von Midge trugen auch nicht gerade zu meinem Seelenfrieden bei; fest stand — hier unten im Dunkeln zu schmollen war keine Lösung. Zeit, mit ihr zu reden, Zeit, die Sache aus der Welt zu schaffen. Ich stieg die Treppe hoch und schloß die rückwärtige Tür. Es hatte hereingeregnet, die Fußmatte war durchnäßt und fühlte sich ekelhaft an — ich wußte sehr genau, wie sie sich anfühlte.
Midges Anorak lag zusammengeknüllt auf dem Boden, und sie selbst lag beinahe genauso zusammengeknüllt auf dem Bett, die Beine hochgezogen, die Schultern vorgekrümmt, wie ein Fötus; sie sah sehr einsam aus. Die Luftfeuchtigkeit ließ den Raum modrig riechen. Ich blieb in der Türöffnung stehen und zögerte hineinzugehen; ich fühlte mich schuldig und wußte nicht, warum. »Midge ...?« sagte ich zaghaft.
Keine Reaktion, zuerst. Dann stützte sie sich auf einen Ellenbogen hoch und schaute zu mir herüber. Sie streckte eine Hand zu mir aus, und ich ging zu ihr und legte mich neben sie. Ich nahm sie in die Arme und zog sie an mich; sie ließ es geschehen, zitternd und schniefend.
Ihre Stirn war an meiner Wange, und der Duft von Regen und frischer Luft war noch in ihren Haaren. »Midge, ich möchte, daß du mir glaubst . .. Ich habe gestern nur Alkohol zu mir genommen. Ich gebe zu, daß ich eine ziemliche Menge gepackt habe, aber ich habe nichts anderes angerührt, keine Pillen, keine Drogen — nichts dergleichen.«
Sie versteifte sich, und das Zittern verebbte für einen Moment. Dann fühlte ich ihren Körper schlaff werden.
»Aber was ist dann vorhin passiert, Mike?« flüsterte sie. »Warum hast du so schrecklich ausgesehen . . . und warum hast du behauptet, mein Bild sei lebendig geworden?«
»Mir wäre auch wohler, wenn ich das verstehen würde«, seufzte ich. »Aber ich habe nicht übertrieben, es kam mir wirklich so vor, als sei ich in diesem Bild, als sei alles ganz real. . . Ich habe diese Blumen gerochen, ich habe alles um mich herum gefühlt . . .« Ich mußte lächeln. »Erinnerst du dich an den alten Film mit Gene Kelly — als er mit dieser Comic-Maus getanzt hat? Naja, fast genauso war es, als seien Film und Trickfilm zusammenkopiert worden, aber ohne die schwarzen Linien um die gezeichneten Teile. Und um so vieles wirklicher; keine Spur von Hirngespinsten. Und unheimlich. Ich hab' noch nie im Leben solche Angst gehabt.« Ich sah ihr ins Gesicht, und ihre Augen waren geweitet und voller Sorge. »Du mußt mir glauben, Midge.«
»Ich schätze, das tue ich«, erwiderte sie, und jetzt kehrte eine vertraute Sanftheit in ihre Miene zurück. »Sie haben mich darauf hingewiesen, daß es langandauernde Nebenwirkungen geben kann und daß niemand genau sagen kann, wie lange gewisse Drogen im menschlichen Körper aktiv bleiben. Aber nach so vielen Jahren . . .?«
»Es klingt unmöglich, ich weiß. Aber das muß die Antwort sein. Es sei denn, ich werde verrückt.«
»Du willst damit sagen,
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