Magic Girls 05 - Die grosse Prüfung
wissen ja, wie das ist.« Mona klimperte mit den auberginefarben getuschten Wimpern. »Es waren immer die Falschen. – Tja, um auf Elena zurückzukommen: Ich denke, es war reine Notlage, dass sie sich die Unterlagen aus der Mülltonne geschnappt hat. Wahrscheinlich war sie nur neugierig und wollte experimentieren und sehen, ob sie der Liebe etwas nachhelfen kann … Mit einem kleinen Ritual, beispielsweise etwas Rosenwasser in einer Schale, dazu ein Fingernagel von dem Jungen oder ein Haar …« Mona brach ab.
»Sie glauben doch nicht wirklich an einen solchen Humbug?«, fragte der Direktor alarmiert.
»Ich? Wo denken Sie hin! Aber haben Sie noch nie etwas von selbsterfüllender Prophezeiung gehört? Wenn Elena überzeugt ist, dass ihr Zauber funktioniert, dann geht sie mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein auf den Jungen zu. Sie glaubt, dass sie ihn diesmal für sich gewinnen kann, schenkt ihm ein strahlendes Lächeln – ja, und dann klappt es vielleicht tatsächlich, weil der Junge von ihr völlig angetan ist.« Monas Fuß wippte wieder. »Elena wird begeistert ihren Freundinnen erzählen, dass der Zauber funktioniert hat. Wir Erwachsenen wissen natürlich, was in Wirklichkeit dahintersteckt. Doch Hauptsache, Elena hat den Jungen
bezaubert
– und ist glücklich. Ich denke, man sollte die ganze Sache nicht überbewerten.«
»Trotzdem halte ich solche Lektüre für sehr bedenklich«, meinte der Direktor. »Man darf solche Spielereien unter Kindern und Jugendlichen auf keinen Fall unterstützen, sonst können sie eines Tages nicht mehr zwischen Fantasie und Wirklichkeit unterscheiden.«
»Aber ich bitte Sie, lieber Herr Seifert!« Monas Stimme klang nun ein klein wenig entrüstet. »Haben Sie so etwas wirklich schon erlebt, in Ihrer ganzen Zeit als Schuldirektor?«
Der Direktor dachte eine Zeit lang nach. »Nein, ich glaube nicht …«
»Na, sehen Sie.« Mona strahlte ihn an. »Dann lassen wir es doch darauf beruhen. Und in Wahrheit ist es doch so, dass unser Leben durchaus etwas mehr Fantasie und Farbe gebrauchen könnte. Der Alltag kann manchmal so nüchtern sein, finden Sie das nicht auch?«
»Oh ja«, bestätigte Herr Seifert und stieß einen tiefen Seufzer aus. Dabei bekam er einen sentimentalen Blick. Mona hatte einen Nerv getroffen. »Wem sagen Sie das? Die Routine frisst einen geradezu auf. Seit dreiunddreißig Jahren bin ich hier an dieser Schule und seit neunzehn Jahren Direktor. Am Ende dieses Schuljahres gehe ich in Pension. Dem Zeitpunkt sehe ich mit etwas gemischten Gefühlen entgegen. Die Schule ist nun mal mein Lebensinhalt, und wenn der wegfällt …« Er sah auf einmal sehr traurig aus.
Mona spielte die gefühlvolle Zuhörerin und entgegnete: »Sie dürfen es nicht so weit kommen lassen, dass Sie die Leere spüren. Suchen Sie sich ein sinnvolles Hobby! Oder machen Sie eine schöne lange Reise, zusammen mit Ihrer Frau …!«
Der Direktor schwieg einen Augenblick, bevor er antwortete. »Ich würde ja gerne mit meiner Frau verreisen – aber sie ist leider seit fünf Jahren tot.« Seine Stimme war ganz leise geworden.
»Oh, das tut mir leid«, sagte Mona.
»Ja, mir auch«, sagte Herr Seifert. »Wir waren neununddreißig Jahre verheiratet, da fehlt die Partnerin schon sehr …« Er schluckte. »Zum Glück besuchen mich oft unsere drei Kinder. – Sobald ich pensioniert bin, werde ich vermutlich mein Knie operieren lassen. Das bereitet mir schon lange Probleme, und der Arzt sagt, ich brauche ein künstliches Gelenk.«
»Tatsächlich?«, fragte Mona nach.
Der Direktor nickte. »Die Folgen einer alten Sportverletzung … Die Schmerzen werden täglich schlimmer.«
»Darf ich … darf ich mal sehen?«, erkundigte sich Mona.
»Was?«
»Ihr Knie«, antwortete Mona. »Ich … verstehe ein bisschen was von Medizin.« Sie lächelte ihn aufmunternd an.
Herr Seifert zögerte. »Wenn Sie unbedingt wollen …« Er streckte sein linkes Bein vor und krempelte die Hose hoch.
Mona legte behutsam ihre Hand auf sein knochiges Knie. Herr Seifert zuckte unter der Berührung ein klein wenig zusammen.
»Keine Angst, ich werde Ihnen nicht wehtun.« Mona schloss die Augen und scannte mithilfe ihrer Magie das Knie. Oh weh, die menschlichen Ärzte hatten recht. Das Gelenk war schrecklich abgenutzt, es gab fast keinen Knorpel mehr – und Herr Seifert musste wahrscheinlich unerträgliche Schmerzen haben. Aber wozu war Mona eine Hexe?
»Ich werde Ihnen helfen«, sagte sie mit gedämpfter Stimme. »Halten Sie
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