Magic Girls 06 - Späte Rache
erinnern konnte. Die anderen Erinnerungen waren verschwommen. Es war ihm kalt geworden, bitterkalt. Er hatte sich nicht mehr bewegen können, sondern war erstarrt. Gleichzeitig |70| erlahmten seine Gedanken und vor seinen Augen wurde es grau. Er hatte den Geruch nach Erde und Schwefel in der Nase ... und so war es die ganze Zeit geblieben, während hoch über ihm die Wolken hinwegzogen. Manchmal regnete es, oder es wehte ein stürmischer Wind, der versuchte, Jeremias umzublasen. Doch dieser hielt ihm stand wie ein Fels. Kein Wunder, Jeremias war zu einem Felsen geworden ...
Und er verbrachte Jahre an diesem Ort, Jahrzehnte – bis zu dem Moment, in dem Valentin und Felicitas erschienen waren, um ihn zurückzuverwandeln.
Jeremias musste sich erst wieder daran gewöhnen, dass er Arme und Beine hatte und wie man sie benutzte. In der Zeit als Fels hatte er vieles vergessen, aber langsam kehrten einzelne Bilder zurück ... das kleine Baby, Monas wütendes Gesicht ... Jeremias spürte einen schmerzhaften Stich in der Brust. Wieder glaubte er, Monas Worte zu hören:
»Das geschieht mit voller Absicht!«
»Wie konnte sie mir nur so etwas antun?« Jeremias schüttelte immer wieder den Kopf. »Ich verstehe es heute noch immer nicht. Ich habe ihr doch nichts getan, im Gegenteil. Ich habe immer versucht, ihr jeden Wunsch zu erfüllen.«
»Am besten, du stellst Mona zur Rede«, schlug Valentin vor. »Aber vorher schicken wir ihr noch einen zweiten Gruß. Dieses Zauberbuch hier bietet hervorragende Anregungen!«
Jeremias blickte unsicher auf den fremden Zauberer, den Valentin und Felicitas mit einem Fesselzauber belegt hatten. »Und was soll mit diesem Mann geschehen? Es genügt doch schon, dass ihr ihm das Buch weggenommen habt. Lasst ihn frei!«
|71| »Auf keinen Fall!«, sagte Valentin. »Jemand, der so ein Buch besitzt, ist gefährlich. Wer weiß, was er im Schilde führt, mit diesem Buch im Rucksack, tief in den Schwefelbergen, das ist sehr verdächtig. Und er hat Dinge gesehen, die er nicht sehen sollte.«
Felicitas nickte heftig. »Wir können keinen Zeugen gebrauchen.«
»Mach dir seinetwegen keine Gedanken, Jeremias«, antwortete Valentin. »Es ist sein Pech, dass er zur falschen Zeit am falschen Ort aufgetaucht ist.«
»Und deswegen wird er einige Zeit eingeschlossen in einer Höhle verbringen«, ergänzte Felicitas. Sie deutete mit beiden Armen auf den gefesselten Zauberer und rief:
»Du hieltst dir nicht die Augen zu,
du spitztest noch die Ohren!
Drum schlaf fortan in dunkler Ruh,
sei für die Welt verloren!«
Jeremias sah, wie sich hinter dem Mann ein Felsen öffnete. Eine unsichtbare Kraft zog ihn ins Innere einer Höhle. Dann wurde der Höhleneingang kleiner und kleiner, bis davon nur noch ein unscheinbares Loch übrig blieb, kaum größer als ein Fuchsbau.
Jeremias starrte auf die Öffnung und schluckte heftig. Auch wenn Valentin recht hatte – der fremde Zauberer tat ihm leid.
Valentin schien seine Gedanken zu erraten. »Konzentriere dich lieber darauf, wie du dich an Mona rächen kannst«, forderte er seinen Bruder auf. »Der Zauberer ist in der Höhle gut aufgehoben.«
E lena saß an ihrem Schreibtisch. Anstatt Hausaufgaben zu machen, blickte sie versonnen aus dem Fenster. Draußen dämmerte es bereits, aber noch immer war der blühende Magnolienbaum zu erkennen. Elena liebte diesen Baum. Sie fand seinen Duft wunderbar. Schade, dass die Blüte nur so kurze Zeit dauerte. Der blühende Baum war eine solche Pracht! Aber wahrscheinlich war es morgen oder übermorgen schon damit vorbei.
Elena überlegte, ob sie mit ihren Hexenkünsten eingreifen sollte. Es war bestimmt kein schwieriger Zauber, den Baum so zu verhexen, dass sich die Blüten wochenlang hielten. Sie kreuzte die Finger und konzentrierte sich. Doch noch bevor sie einen Zauberspruch gemurmelt hatte, gab es einen lauten Knall. Der Magnolienbaum ging vor Elenas Augen in Flammen auf!
Elena sprang hektisch von ihrem Stuhl hoch. Sie hörte, wie im Nebenzimmer die Balkontür aufgerissen wurde und Miranda hinausstürzte. Zwei Sekunden später war Elena an ihrer Seite. Die beiden Mädchen lehnten an der Balkonbrüstung und starrten fassungslos auf den brennenden Baum. |73| Die Blüten zerstoben in einem Funkenregen, leuchtender als Wunderkerzen.
»Ich habe nichts gemacht!«, sagte Elena.
»Ich war es auch nicht!«, erwiderte Miranda.
Unter ihnen ging die Tür auf und jemand trat auf die Terrasse.
»Beim Orkus, jetzt reicht es
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