Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt
sich Rosa einen Schäferhund aus Keramik kaufte,
und dann fanden wir einen Bauern, der uns ein bisschen Stroh und Heu für die
Meerschweinchen gab und wir machten ihnen ihren Stall sauber und gaben ihnen
Stroh und Heu und neues Wasser und Salat aus dem Biergarten und wir sammelten
noch etwas Löwenzahn für sie auf einer Wiese und danach fuhren wir Richtung
Berge, die bei diesem sonnigen Wetter ganz nah zu sein schienen, was sie aber
nicht waren, man fuhr und fuhr auf den Landstraßen, denn es war kein Tag für
Autobahnen, wie
Rosa sagte, immer schön Landstraße, sagte sie, und die Berge kamen nicht näher,
es war ein bisschen wie mit dieser Magical-Mystery-Tour, die immer weiter und
weiter ging und genauso sinnlos wie großartig war und deren Ende nicht näher
kam, genau wie eben diese Berge, die keiner gewollt hatte, die das aber
überhaupt nicht interessierte, alles wie Raimund und Ferdi, sagte ich zu den
beiden anderen, und Basti sagte, dass er das nicht verstünde, das sei jetzt ein
etwas krauses Statement, und Rosa sagte, wir sollten darauf achten, dass sie
auf keinen Fall einschlief, sonst würde sie am nächsten Morgen um drei oder
sowas aufwachen und das in Unterschleißheim, Horror, dann könne sie für nichts
mehr garantieren, und irgendwann kamen wir dann doch unten an den Bergen an und
die Straße schlängelte sich hinein und hinein und wir immer weiter bis an eine
Bergwand, an der man mit der Seilbahn auf den Gipfel fahren konnte, und das
taten wir und dann stolperten wir dort durch den Schnee und fielen dauernd hin,
weil wir natürlich die ganz falschen Schuhe anhatten, und dann hatten sie da
oben eine Hütte mit Gastro, wo Rosa sich wegen ihrer Angst vor der Seilbahn-Rückfahrt
einen Kirsch nach dem anderen reinkippte und ich sie darum beneidete, denn
auch ich hatte mir auf der Fahrt nach oben fast in die Hose geschissen vor
Angst, aber ich blieb sauber auf der Kaffeespur, und irgendwann fuhren wir
wieder runter mit der Seilbahn, was dann gar nicht mehr so schlimm war, und
dann zurück Richtung Unterschleißheim und immer schön auf der Landstraße, Rosa
las die Karte, damit sie nicht einschlief, aber sie war zu betrunken dazu,
also fuhren wir kreuz und quer und Basti sagte, dass es Zeit fürs Abendessen
sei, und wir rein in ein Wirtshaus und wieder Bier und Apfelschorle und
Schweinebraten und Haxe und Krautsalat
und was weiß ich nicht, was noch für Folklorekram sie da auftischten, es war
echtes Frankie-Lehmann-Essen, der hatte sowas immer geliebt, schade, dass der
nicht dabei war, und ich dachte einen Moment lang, dass das jetzt einer der
schönsten Tage war, die ich seit langem erlebt hatte, vielleicht einer der
schönsten Tage überhaupt, ich musste jedenfalls verdammt lange zurückdenken,
um darauf zu kommen, wann ich zum letzten Mal einen so schönen Tag erlebt
hatte, es war irgendwann zur Bielefelder Zeit gewesen und mein Vater und meine
Mutter waren mit mir irgendwo hingefahren, keine Ahnung, wohin genau und was
wir da gemacht hatten, irgendwas mit Wald und Fluss und Picknick, aber ich
erinnerte mich, dass ich damals dasselbe Gefühl gehabt hatte wie jetzt und es
hatte mich, auch daran erinnerte ich mich noch, damals ganz traurig gemacht,
weil ich gleich gedacht hatte, dass es wahrscheinlich nie wieder so schön
werden würde, keine Ahnung, wie ich damals darauf gekommen war, und diese
Erinnerung machte mich jetzt auch wieder traurig, und damit war der schöne Tag
schon wieder irgendwie nicht ganz so schön, das kommt davon, wenn man zurückdenkt
und Vergleiche anstellt, das kommt davon, wenn man sich dauernd erinnert, das
kommt davon, wenn man, bloß weil man immer noch im selben Körper steckt, alles,
was dieser Körper irgendwann erlebt hat, mit allem anderen sonst noch Erlebten
zusammenrührt und das dann begutachtet und durchdenkt und bewertet und verarbeitet
und was weiß ich nicht alles – das kommt davon! Und kein Wunder, dass man dann
auch gerne Bier und Obstschnäpse trinken würde, und am besten viel und immer
weiter und weiter: Weil man dann endlich damit aufhören könnte und einfach nur
da wäre und alles wäre gut.
Aber nicht
für mich. Für mich gab es Schweinebraten und
Apfelschorle und Krautsalat, das musste reichen, während Basti und Rosa mit
jedem Bier lustiger und lustiger wurden, und für einen Moment spielte ich mit
dem Gedanken, sie zu bitten, mir nicht die ganze Zeit einen vorzusaufen, aber
dann dachte ich, dass das genau das Falsche, dass das genau das
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