Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt
nach links und rechts und kratzte seine
Nase und was sonst noch alles, man wurde schon vom Hingucken nervös.
Jetzt sagte
er: »Ich würde dann auch gerne mal was essen gehen, Dr. Selge.«
»Ja, ich
bleibe solange hier«, sagte Dr. Selge. Und zu mir sagte sie, während Hartmut
sich von dannen trollte: »Wir haben jetzt ein bisschen mehr Sicherheitsbewusstsein
hier, das war nötig.«
»Ja, das
ist gut«, sagte ich. »Ich geh dann mal.«
»Sie haben
meine Frage nicht beantwortet, Karl.«
»Das stimmt, Dr. Selge.«
»Und?«
»Ich bin
nicht sicher, dass ich das Richtige tue, Dr. Selge. Ich bin nie sicher, dass
ich das Richtige tue. Ich weiß sowas immer erst hinterher.«
»Aha«,
sagte Dr. Selge. »Das ist aber als Statement nicht ganz so bescheiden, wie Sie
denken, Karl.«
»Kann
sein«, sagte ich.
»Ihre
Mutter macht sich große Sorgen. Die ist durch das Telefonat mit Herrn Maier
sehr beunruhigt.«
»Das sollte
sie nicht sein«, sagte ich.
»Wollen Sie
sie nicht mal anrufen?«
»Klar,
warum nicht«, sagte ich.
»Wollen wir
das nicht gleich zusammen machen? Wir können doch eben in mein Büro gehen.«
»Nein, ich
habe dafür jetzt keine Zeit«, sagte ich. »Ich bin verabredet. Ich habe auch ein
eigenes Telefon.« Ich holte den Knochen aus der Jackentasche. »Schauen Sie, das
ist ein Mobiltelefon. Wenn ich also meine Mutter anrufen will, kann ich das
jederzeit tun.«
»Kann man
da auch anrufen?«
»Ja, aber
dazu brauchen Sie die Nummer.«
»Wollen Sie
mir die nicht geben? Dann kann Ihre Mutter Sie anrufen.«
»Nein, das
ist nicht nötig, ich rufe sie selber an, kein Problem. Grüßen Sie sie schön von
mir und sagen Sie ihr bitte, dass alles in Ordnung ist.«
»Ihre
Mutter macht sich wirklich Sorgen, Karl.«
»Ja, ich rufe sie an.«
»Geben Sie
mir doch die Nummer!«
»Keine
Zeit, Dr. Selge, die ist auch lang und ich weiß sie nicht auswendig. Da gibt es
auch eine spezielle Vorwahl.«
»Ich würde mir die aufschreiben.«
»Fragen Sie
einfach Herrn Maier«, sagte ich, wohl wissend, wie sehr sich die beiden
hassten. Aber wenn Werner schon von sich aus die ungeliebten Hilfstruppen in
Stellung brachte, dann sollte er sich auch ruhig von ihnen belästigen lassen,
fand ich.
»Na gut.
Kann ich sonst noch was für Sie tun?«
»Nein, alles gut, Dr. Selge.«
Als ich ins
Auto einstieg, gab es ein großes Hallo. Nur Holger saß apathisch herum und
starrte aus dem Fenster ins Othmarschener Nichts.
»Und
jetzt?«, sagte ich zu Raimund, der vorne saß. »Schrankenhusen-Borstel?«
»Nein, zu
früh«, sagte Raimund. »Ich hab Angst vor Schrankenhusen-Borstel. Ferdi will
auch vorher noch mit allen Fisch essen gehen. In Hamburg. Außerdem müssen wir
Holger ein Bier besorgen, der ist so traurig wegen dem Schwein.«
»Wo will
Ferdi denn Fisch essen gehen?«
»Keine
Ahnung, er liegt oben und schaut gerade im Gault Millau nach. Irgendwas mit
mindestens fünfzehn Kochmützen, sagt er.« Raimund stand auf, kletterte nach
hinten, steckte den Kopf ins Komabrett und redete mit Ferdi. Dann kam er wieder
nach vorne. »Bavaria Blick«, sagte er. »Bernhard-Noocht-Straße.«
»Ich ruf
die mal an«, sagte ich. »Tisch für zehn Leute?«
»Zwölf«, sagte Raimund. »Mach
zwölf. Dave und Hans kommen auch noch.«
60. Rotbarsch-Konferenz in Friedas Fischbratküche
Vom
Bavaria Blick
mussten wir erfahren, dass es erst um 18 Uhr öffnete, deshalb wichen wir nach
einigem Herumfragen und weil Ferdi »jetzt auch keinen Bock mehr auf die
Gault-Millau-Scheiße« hatte, in ein Restaurant namens »Friedas Fischbratküche«
aus, wo sich alle bei Backfisch, Pommes und Bier wieder in Form brachten bis
an den Punkt, wo sie vor jedem Schluck mit den Bierflaschen über den Tisch
hinweg anstießen und sich gegenseitig Unsinn in die Ohren schrien, aber es war
kein relaxtes Schreien, es war eine Spannung darin, die sich parallel zur guten
Laune immer weiter aufbaute, das hatte was Hysterisches, es war Angst im
Spiel, Schrankenhusen-Borstel war ihnen offensichtlich nicht geheuer,
»Gummistiefel, ich sage nur Gummistiefel«, rief Hans, der Künstler, der mit
Dave dazugestoßen war, immer wieder, während er mit einem Kugelschreiber
kleine Bilder auf die Papiertischdecke malte, die Tischdecke jeweils drumherum
abriss, die Fetzen signierte und reihum verschenkte, auch ich bekam einen, es
war ein kleiner Hund drauf, und Raimund, der das Zentrum der ganzen
Schrankenhusen-Borstel-Paranoia war, die sich immer mehr in die backfisch-
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