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Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

Titel: Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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gleich, und der hieß »Karl Schmidt – Mechanik und Statik, Galerie
Wiesenberg«, das war der Knesebeckstraßen-Katalog, den ich nie gesehen hatte,
den hatte Wiesenberg damals zur Vernissage fertig haben wollen und ich kam
direkt vorher in die Klapse, so sah’s aus, und durch diesen Anblick wurde ich
ziemlich abgelenkt von dem Gespräch mit Werner, er quakte noch einige Zeit was
aus dem Knochen und ich immer so »jaja«, während ich in die Knie ging und den
Kopf verdrehte und mir diese Rücken anguckte, »Karl Schmidt – Mechanik und
Statik, Galerie
Wiesenberg«, nicht zu fassen, so hatten wir das damals wirklich genannt,
Mechanik und Statik, das kam mir jetzt ein bisschen albern vor, zu technisch
und zu arbeitsmäßig, eigentlich wollte man ja gar nicht arbeiten, man wollte
ja Kunst machen, und über die Typen mit ihrem Arbeitsbegriff hatten wir immer
gelacht, wir wollten spielen und nicht arbeiten, wenn wir hätten arbeiten wollen,
wären wir ja keine Künstler geworden, so hatten wir das damals gesehen, aber in
der Knesebeckstraße hatten sie immer noch das Lied von der Kunst als Arbeit
gesungen, selbst Ende der achtziger Jahre noch, wahrscheinlich bis zum
heutigen Tage! Ich zog einen der Kataloge heraus und sah mein Bild vorne drauf,
im Anzug mit Acetylenschneidbrenner mit Flamme an und vor einem Stahlobjekt
posierend, sinnlos in die Kamera grinsend, irgendwie großartig, aber auch
großartig dämlich.
    »Werner«,
sagte ich ohne nachzudenken ins Telefon, »ich hab jetzt keine Zeit für dich.
Ich ruf später wieder an.«
    »Moment
mal«, sagte Werner, »warte mal …« Ich drückte ihn weg.
    Dann
betrachtete ich in Ruhe das Bild. Ich war gut drauf gewesen damals. Nicht der
Hellste, aber gut drauf. Ich sah aus wie einer, den nichts erschüttern kann,
dabei kam ich nur wenige Wochen nach dem Foto in die Klapse, wie passte das
zusammen?
    Ich konnte
mich von dem Bild nicht losreißen, es war schwarz-weiß, so wie alles damals,
irgendwie hatte die Welt vor dem Mauerfall in meiner Erinnerung keine Farben,
wir hatten in einem Schwarz-Weiß-Film gelebt, wir waren nicht durch Straßen, sondern
durch Kulissen gelaufen und wir hatten auch nicht einfach gelebt, wir hatten
Leben gespielt, und egal ob wir müde, wach, verkatert, fröhlich,
verliebt, traurig, deprimiert gewesen waren, das war alles Teil einer größeren
Sache gewesen, noch die blödeste Arbeit, das langweiligste Besäufnis, das
mühsamste Geldverdienen, die hilfloseste Kunst, die hässlichste Wohnung, der
kälteste Winter, die quälendste Krankheit waren etwas Besonderes und kostbar
und Teil eines Großen Ganzen gewesen, eines Spiels, eines Films, und wir darin
unsterblich, und so sah ich auf dem Bild auch aus, unsterblich wie einer, der
in Drachenblut gebadet hatte und dessen eine verwundbare Stelle niemand
kannte, nicht einmal er selbst, und während ich darüber nachdachte und über
mich und die anderen staunte, weil wir so großartig gewesen waren, und da also
blöd herumstand in einer Kölner Kunstbuchhandlung, in der linken Hand ein
Yuppie-Telefon, in der rechten einen alten Katalog haltend und mit den Tränen
kämpfend, klingelte oder jedenfalls dudelte das Telefon wieder, und ich
drückte mit einem geschickten Daumen auf den grünen Knopf und hielt es mir ans
Ohr und es war wieder Werner und er sagte: »Glaub bloß nicht, Charlie, dass du einfach auflegen kannst,
bloß weil du so ein albernes Funktelefon hast!«
    »Kann ich
wohl«, sagte ich.
    »Kannst du
nicht«, sagte Werner.
    »Naja«,
sagte ich, »eigentlich ist es nicht auflegen, es ist eher wegdrücken!«
    Ich drückte
ihn weg und stellte das Telefon aus. Das war ja das Gute an diesen Dingern, dass
man sie ausschalten konnte. Ich hatte Leute in den Siebzigern gekannt, die ihr
Telefon in den Kühlschrank gestellt hatten, weil man es damals noch nicht mal
ausstöpseln oder wenigstens leiser stellen konnte. Bei diesem Ding gab es
einen Knopf, und wenn man länger draufdrückte, ging es aus. Fantastisch!
    Ich kaufte
einen Katalog und ließ ihn mir in eine undurchsichtige Tüte packen, damit ich
nicht dauernd draufgucken musste. Draußen schien die Sonne. Ich ging einen
Kaffee trinken und rauchen, mehr konnte ich im Moment nicht tun.

47. Michael und Monika
    Als ich
am nächsten Morgen
in die Werkstatt kam, war der Wagen noch auf der Hebebühne und das vordere
linke Rad ab. Darunter stand der Mann und schraubte an irgendwas herum. In der
Nähe standen zwei Kinder, keine Ahnung, wie alt die waren,

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