Magical Mystery
soll hier anrufen.«
»Ach so. Aber die sind nicht da.«
»Und keine Nachricht?«
»Ich frag mal.«
Ich hörte einige Zeit lang ein Gemurmel am anderen Ende. Gleichzeitig kam Herr Niemeyer wieder herein und sah mich telefonieren, woraufhin er sich einen Finger an den Mund hielt und auf Zehenspitzen näherhüpfte. Bei mir angekommen, wedelte er entschuldigend mit den Händen und suchte dann noch einige Sachen mehr zusammen: Schleifpapier, Schleifblock, Leim, Nägel, einen Holzhammer und zwei Schraubzwingen. Am anderen Ende war eine muntere Diskussion zugange.
»Nein, keine Nachricht«, sagte Basti endlich. »Nur für einen, der Charlie heißt.«
»Das bin ich. Charlie. Karl Schmidt.«
»Ehrlich?«
»Ja. Karl Schmidt.«
»Diese hier ist aber für Charlie.«
»Ja, Karl. Genannt Charlie. Auf Charlie wird keiner getauft, man heißt erst Karl und dann nennen einen die Leute irgendwann Charlie.«
»Versteh ich nicht.«
»Heißt du Basti?«
»Ja.«
»Und was steht in deinem Personalausweis?«
»Stratmann.«
»Vorname?«
»Sebastian. Ach so, ja klar.«
»Also, Basti, wie lautet die Nachricht von Ferdi und Raimund für Charlie?«
»Warte mal, ich kann die Schrift kaum lesen, ich glaube, das hat Raimund geschrieben, der hat aber auch eine Klaue, also warte mal …«
Wieder einige Zeit des Gemurmels. Dann: »Also, wir glauben, da steht: Charlie soll nach Berlin kommen, spätestens am Zwanzigsten, wichtig, Job, wir brauchen ihn dringend.«
»Wofür?«
»Keine Ahnung. Holger auch nicht. Holger schüttelt mit dem Kopf. Und sonst ist keiner da.«
»Okay, vielen Dank.«
Ich legte auf und schaute nach, wieviel Geld ich dabei hatte. Das waren mindestens drei Minuten Ferngespräch gewesen und die Einheit kostete zwanzig Pfennig, eigentlich ja zwölf, der Rest war wahrscheinlich für Dr. Selges Kaffeekasse oder die Sozialbehörde oder wen auch immer. Ich schätzte, dass für dieses Gespräch mit Basti etwa zehn Einheiten, also zwei Mark fällig waren, es war ein Wochentag und vor achtzehn Uhr, da ging sowas ins Geld. Ich hatte noch sechs Mark auf Tasche, da hatte ich noch etwa zwei Schüsse frei, so wie’s aussah.
Ich ging hoch zu Frau Schmidt. Auf dem Weg zu ihr kam ich an Herrn Niemeyer vorbei, der unter den staunenden Blicken von zwei Erzieherinnen der Gruppe sieben Schraubzwingen an einem Türrahmen angebracht hatte und nun, als ich vorbeikam, den Leim abwischte, der zwischen den Klebeflächen, die er da live und vor Publikum zusammenpresste, herausquoll.
»Hallo Herr Schmidt!«, keuchte er.
»Hallo Herr Niemeyer, das ist eine schöne Arbeit, die Sie da machen, das ist wohlgeraten.«
»Ich dachte mir, ich helfe den beiden Deerns etwas.« Die beiden Deerns lächelten geschmeichelt, es waren Helga und Angela, Milchmädchen vom Lande, die der Wunsch, Erzieherinnen zu werden, in das Sündenbabel Othmarschen gespült hatte, wo man erst um acht Uhr abends die Bürgersteige hochklappte und sie manchmal Heimweh hatten, weil keine Kühe an den Straßenecken standen.
»Ich freue mich, dass Sie die niederdeutsche Sprache so gut beherrschen, Herr Niemeyer, das ist hier in Othmarschen durchaus populär.«
»Det heww ick mi decht«, sagte Herr Niemeyer ohne Scham und Hemmung. Ich machte, dass ich weiterkam.
»Das waren neun Einheiten, das wären dann eine Mark achtzig, Herr Schmidt«, begrüßte mich Frau Schmidt, als ich bei ihr durch die Tür kam.
»Ja, Frau Schmidt, ungefähr damit hatte ich gerechnet. Ich habe das Geld schon griffbereit!«
»Das will ich hoffen«, sagte Frau Schmidt. »Das ist nun mal so, das muss immer gleich bezahlt werden, sonst kommt man da in Kuddelmuddel.«
Wenn das hier ein Wettbewerb war, wer das dümmste Zeug reden konnte, dann war ich entschlossen, ihn zu gewinnen: »Aber immer«, sagte ich. »Sie haben die Quittung sicher schon fertig.«
»Was für eine Quittung? Von einer Quittung weiß ich nichts!«
»Aber Frau Schmidt, Sie wollen doch nicht im Ernst namens und gegen Leistung des Kinderkurheims Elbauen Geld kassieren und das dann nicht quittieren?!«
»Herr Schmidt, seit wann wollen Sie denn dafür eine Quittung? Ich trag das doch in eine Liste ein, da ist alles in Ordnung, Sie können doch mit so einer Quittung gar nichts anfangen!«
»Keine Zahlung ohne Quittung, Frau Schmidt, das ist so, denken Sie an Paragraf 14 Umsatzsteuergesetz!«
»Umsatzsteuer? Was hat denn die Umsatzsteuer damit zu tun? Wir sind doch eine gemeinnützige Einrichtung, eine Körperschaft öffentlichen
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