Magical Village 1 Zimt und Zauber
»Ich glaube, du bist immer noch sturzbetrunken«, sagte Doll. »Und alles, was du mir gerade erzählt hast, stammt aus einem Albtraum im Vollrausch. Es wird sich alles aufklären, davon bin ich überzeugt.«
»Ich sehe bereits jetzt alles ganz klar«, murmelte Joel, kippte den dritten Becher schwarzen Kaffee hinunter und zog seinen Kittel verkehrt herum an. »Kristallklar. Herrgott – wie lange dauert es denn, bis dieses Mittel endlich wirkt?«
»Zwanzig Minuten. Kann ich Mrs Dobbs jetzt hereinbitten? Wir sollten ihr allmählich die örtliche Betäubung setzen. Bist du bereit?«
Joel nickte und zuckte erneut zusammen.
»Lass Mrs D und ihren Duane lieber nicht sehen, wie deine Hände zittern, wenn du mit der Spritze bewaffnet bist«, riet Doll. »Und du hast deinen Mundschutz verdreht. Hör mal, ich gehe in der Mittagspause zu Mum, unter dem Vorwand, noch etwas wegen der Hochzeit zu besprechen. Ich werde mich um allergrößte Diskretion bemühen und herauszufinden versuchen, warum sie sich so benommen hat. Bist du wirklich sicher, dass du nicht -«
»Ich habe überhaupt nichts getan«, sagte Joel schroff. »Und nimm bitte deine Mutter nicht ins Kreuzverhör. Sie hat ihre Gefühle letzte Nacht ganz unzweideutig zum Ausdruck
gebracht. Wie es in den Illustrierten immer so schön heißt, deine Mutter und ich sind nicht länger ein Paar. Gut – hol Mrs Dobbs herein. Nein, Doll, ich meine es ernst. Es ist vorbei. Nicht, dass es je richtig angefangen hätte. Ist auch egal, wirklich. Also los, an die Arbeit.«
»Du musst verrückt sein!« Doll saß an Mitzis unordentlichem Küchentisch und seufzte entnervt. »Er ist hinreißend! Er ist verrückt nach dir! Du bist verrückt nach ihm!«
»Halt, stopp. Viel zu viel verrückt. Ich weiß ja nicht, was er dir erzählt hat, aber wir sind keine Kinder mehr. Wir haben es nicht nötig, dass der beste Freund sich in Sandkastenstreitereien einmischt. Schau, Liebes, ich habe einen Fehler gemacht. Es hat einfach nicht sein sollen.«
»So ein Schwachsinn!«, schnaubte Doll hinter ihrer Tassensuppe, sodass kleine orangefarbene Wellen seitlich über den Rand des Winnie-Pu-Bechers schwappten. »Natürlich sollte es sein. Er ist verkatert, unglücklich und vergrätzt wie ein nasser Stubentiger, und sieh dich erst mal an! Wann bist du jemals zur Mittagszeit noch im Bademantel herumgelaufen, wenn du nicht gerade krank warst?«
Mitzi seufzte. Sie hatte nicht geschlafen. Und wenn man mit fünfundfünfzig nachts nicht schlief, rächte sich das am nächsten Morgen. Es war nicht mehr so wie als Teenager, dass die Haut sich am Morgen nach einer schlaflosen Nacht von selbst wieder straffte. Außerdem tat ihr der Kopf weh, sie hatte Körnchen in den Augen und fühlte sich schmuddelig und verspannt. Unter ihren Rippen klemmte ein harter, unbeweglicher Trauerkloß. Ihr war wirklich scheußlich zumute, und sie wusste, dass sie auch danach aussah und dazu noch aufgedunsen, grau und faltig.
»Ich werde nicht ins Detail gehen«, sagte sie energisch. »Das geht dich überhaupt nichts an.«
»Oh doch!«, entgegnete Doll gurgelnd durch ihren Rest Suppe. »Du bist meine Mutter, und er ist mein Arbeitgeber und ein Freund. Und ich mag, nein, liebe euch beide. Liebe, Mutter! Liebe! Erinnerst du dich nicht mehr an das Wort mit dem großen L?«
Mitzi lachte verbittert. »Nur zu gut. Das ist ja das Problem.«
»Also bitte! Hör dich mal an! Du willst mir doch nicht etwa erzählen, weil Dad dich vor einem ganzen Jahrzehnt wegen der Zimtzicke Jennifer verlassen hat, könntest du dich nie wieder verlieben? Dass er für dich der Einzige war und es nach ihm keinen anderen mehr geben könnte?«
Mitzi schüttelte den Kopf. Sie konnte Doll nicht erzählen, was am Abend zuvor geschehen war. Sie konnte einfach nicht. »Lass es doch bitte gut sein. In wenigen Wochen wirst du heiraten. Lu hat sich gerade inoffiziell verlobt – das bietet doch sicher genug Romantik auf einmal für eine ganze Familie?«
»Nein, eben nicht. Du hast jahrelang nur für uns gelebt. Du warst wirklich ein Schatz und die beste Mutter der ganzen Welt. Lulu und ich sind erwachsen und stehen auf eigenen Füßen. Jetzt bist du an der Reihe, um deinen Spaß zu haben. Und Glück. Und Liebe.«
»Ich habe Liebe zur Genüge. Ich habe -«
»Komm mir jetzt nur nicht wieder mit ›Freunde und Familie und Richard und Judy‹! Wag es ja nicht! Du weißt ganz genau, was ich meine.«
Mitzi seufzte. Sie wusste es. »Reg dich doch nicht so auf,
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