Magical Village 1 Zimt und Zauber
Flippigkeit, und sie hat ein großes Herz. Die beiden sind ein tolles Paar.« Joel leckte beide Seiten seines Löffels ab. »Und nun? Beide Töchter vor Jahresende glücklich unter
die Haube gebracht, deine Hexenkünste mehr als hinreichend bestätigt, deine Fitten Fünfziger alle beschäftigt, Tarnia Snepps schon beinahe eine Busenfreundin … was steht jetzt als Nächstes auf Mitzi Blessings Programm?«
Seine Augen auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches wirkten dunkel. Die Myriaden von Lichtern spiegelten sich in dem diamantenen Ohrstecker.
Mitzi riss den Blick von seinem los und sah durch Lorenzos Restaurant zu Lu und Shay hinüber, die sich abwechselnd mit Asti Spumante zuprosteten und dann wieder küssten. Die Atmosphäre war sinnlich, die Dunkelheit nur von silbernem Glitzern und den Flammen unzähliger Kerzen erhellt, mit einem Duft nach Kräutern und Rotwein, und es knisterte geradezu vor Lust und Leidenschaft.
Sie nahm einen letzten Löffel von ihrem Dessert und trank ihr kleines Glas Chianti aus. »Wollen wir heimfahren?«
22. Kapitel
D oll war wie immer als Erste in der Praxis, knipste die Lichter im Wartezimmer an und hob im Schaufelgriff die Post von der Fußmatte. Der Nebel vom Vortag hatte sich verzogen und Hazy Hassocks in graue, eisige Feuchtigkeit gehüllt zurückgelassen. Sie liebte dieses Wetter. Denn die Hitzewallungen wurden dadurch sehr viel erträglicher.
Sie legte die Post auf Vivs Schreibtisch, hörte den Anrufbeantworter auf dringende nächtliche Alarmmeldungen über Backenzahnprobleme ab – diesmal keine – und begann mit ihrem üblichen Morgenritual, erst im Waschraum ihre Haare in Ordnung zu bringen, dann in der Küche für alle Kaffee aufzusetzen und schließlich ins Behandlungszimmer zu gehen, um alles für den ersten Termin vorzubereiten.
Sie machte im Sprechzimmer das Licht an und schrie auf.
Da lag ein menschlicher Körper auf dem Behandlungsstuhl.
»Herr im Himmel!« Joel setzte sich auf und krachte dabei mit dem Schädel gegen den Schwebetisch. »Mist!«
»Was zum Teufel machst du denn hier?« Doll starrte ihn entgeistert an. Ihr Herz raste immer noch, und die im ersten Moment aufsteigende Hitzewallung wurde im nächsten Augenblick von einem eisigen Schreckensschauer abgelöst. »Du hast mich zu Tode erschreckt! Du siehst ja furchtbar aus. Hast du die ganze Nacht hier verbracht?«
»Ja.« Joel blinzelte in die grell leuchtenden Neonröhren, setzte die Füße auf den Boden und stöhnte. »Frag mich bloß nicht.«
»Jetzt komm mal zu dir. Natürlich frage ich. Ich dachte, du und Mum, ihr wärt gestern Abend ausgegangen?«
»Sind wir auch. Ja.« Mit schmerzverzerrtem Gesicht ließ Joel die Finger durch seine kurzen Strubbelhaare gleiten. »Wir waren bei Lorenzo. Es gab köstliches Essen, und wir hatten eine tolle Zeit, und ich habe reichlich viel Chianti getrunken – und bitte, bitte, könnte ich zwei Aspirin und einen Eimer voll Kaffee kriegen?«
»Geh erst mal in den Waschraum«, empfahl Doll. »Steck den Kopf in ein Becken mit kaltem Wasser. Du siehst wirklich furchtbar aus. Dann mache ich dir einen schönen starken Kaffee und besorge dir ein Kopfschmerzmittel, und du kannst mir alles in Ruhe erzählen. Wir haben noch ewig Zeit, bis jemand kommt. Und die Ersten sind auch nur Mrs Dobbs und ihr Duane für eine Wurzelbehandlung. Es wird ihnen nichts ausmachen zu warten.«
»Ich erzähle dir gar nichts.«
»Oh doch, das wirst du.«
Eine halbe Stunde später, nachdem Joel sie mit seiner Version der ganzen traurigen Geschichte beglückt hatte, war Doll so verwirrt wie nie zuvor. Gut, er hatte einen schlimmen Kater und deshalb vielleicht manches ein bisschen durcheinandergebracht, aber trotzdem.
Sie musste unbedingt mit ihrer Mutter sprechen. Mitzi hatte sicher gute Gründe für ihr Verhalten. Aber was in aller Welt war nur schiefgegangen? Die beiden passten doch so gut zueinander. Ganz und gar und rundherum. Diese Geschichte war einfach nur schrecklich.
Joels Bericht über die Ereignisse des Abends ergab einfach keinen Sinn. Mal abgesehen von der Katastrophe, dass es zwischen Mitzi und ihm aus war, wie in aller Welt hätte es denn dazu gekommen sein sollen, dass Shay und Lulu sich verlobt hatten? Und dass Lulu tatsächlich einen Job hatte – nein, einen richtigen Beruf – und drei Welpen zu sich nehmen wollte? Und was die Sache mit einem Tisch voller Macho-Banker anging, die einander küssten und begrabschten – also das war doch völlig lächerlich.
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