Magical Village 1 Zimt und Zauber
meine ich. Ich habe keine Bücher. Ich will mich nur ein bisschen hinsetzen und die Zeitung lesen.«
»Ach so – nein, ich habe auch keine Bücher.«
Der tropfende Filzhut drehte sich zu ihr um. »Dann sind Sie wohl eine neue Kandidatin, was? Für den Tisch an der Heizung? Hmmm, vielleicht bringen wir Sie noch unter. Mildred ist letzte Woche im Supermarkt tot umgefallen – diese Kassenschlangen können teuflisch sein -, und ich glaube, wir haben noch keinen Ersatz für sie.«
»Oh Gott – ich meine, wie traurig … das mit Mildred … und es ist sehr nett von Ihnen, aber ich wollte nur einen Blick aufs Schwarze Brett werfen.«
»Warum denn das? Da hängt doch nie irgendwas Interessantes aus – es sei denn, Sie wollen zu einem Klavierabend gehen, der 1999 stattgefunden hat, oder glauben, Sie hätten Anspruch auf kostenlose Schulmilch für Ihre Kinder, oder Sie wollen wissen, wie Sie Diebe daran hindern können, Ihren Ford Capri zu klauen.«
Mitzi brannten etliche Fragen unter den Nägeln, doch da die nach innen drängende Menge in genau diesem Moment voranschwappte, wurde sie plötzlich in einem Meer aus menschlichen Leibern durch die Tür gestoßen, dem Filzhutmann wesentlich näher, als ihr lieb war, und konnte sich erst zwischen Astrologie und Astrophysik wieder befreien.
»Das Schwarze Brett ist da drüben, hinter der Kinderabteilung,
soweit ich weiß«, erklärte der Filzhutmann hilfsbereit. »Wir sind dann hinter den Liebesromanen, gleich um die Ecke von dem Wagen mit den zurückgegebenen Sachbüchern, wenn Sie fertig sind. Ich halte Ihnen Mildreds Stuhl frei und besorge Ihnen eine Zeitung. Welche wollen Sie denn? Also die Sun oder den Mirror kriegen Sie sowieso nicht, für die gibt es immer schon eine Warteliste. Wie wär’s mit dem Telegraph? «
»Oh – ähm – also, eigentlich nicht, aber danke für das Angebot.« Mitzi war gerührt von seiner freundlichen Geste.
»Schon in Ordnung, meine Liebe. Wir Fossilien müssen doch zusammenhalten.«
Erbost über diese Bemerkung und immer noch vollgepumpt mit Koffein, grummelte Mitzi leise vor sich hin und stieg ungeschickt über ein geräuschvoll atmendes Kind hinweg, das sich mit den gesammelten Werken von Jacqueline Wilson auf dem Fußboden ausgebreitet hatte.
Deprimierenderweise hatte der Filzhutmann recht gehabt, was das Schwarze Brett betraf, denn es war eindeutig seit dem Jahrtausendwechsel nicht mehr aktualisiert worden.
»Entschuldigen Sie bitte.« Mitzi hatte den Blick einer sehr jungen Bibliothekarin in Stretchklamotten aufgefangen, die mit einem Armvoll zurückgegebener Promibiografien kämpfte. »Können Sie mir helfen?«
Die Bibliothekarin, die – nach ihrem verschmierten Make-up, dem Bodyglitter und dem knappen Minirock zu urteilen – direkt von einer Partynacht zur Arbeit gekommen war, blinzelte schläfrig. »Ja, sicher. Ich versuch’s zumindest. Aber könnten Sie sich bitte einfach ausdrücken und nicht schreien?«
Nachdem sie Lulu und Doll oft genug in ähnlicher Verfassung erlebt hatte, nickte Mitzi verständnisvoll und senkte
die Stimme. »Es geht ums Schwarze Brett. Hängen Sie dort Informationen über Gruppen und Freizeitaktivitäten auf?«
Die Bibliothekarin schüttelte den Kopf und wünschte offenbar sofort, sie hätte es gelassen. »Würden wir schon, wenn uns jemand darum bittet, aber es fragt keiner danach, also lassen wir es. In Hazy Hassocks passiert sowieso nichts, wofür sich Werbung lohnen würde.«
Mitzi zeigte auf die vergilbten Zettel, die mit einzelnen Reißzwecken am Schwarzen Brett befestigt waren. »Dann ist das also absolut alles, was hier am Ort an Freizeitaktivitäten angeboten wird, ja?«
»Ja. Schätze schon. Tut mir leid.«
Es war deprimierend. Mitzi murmelte ein Dankeschön und trottete zurück in die Erwachsenenabteilung, diesmal noch vorsichtiger, um nicht auf einen der jugendlichen Leser zu treten. Bedauerlicherweise hatte der Filzhutmann sie bereits entdeckt.
»Hierher, junge Frau!«, rief er und schwenkte die Sun über dem Kopf. »Wir haben Ihnen Mildreds Platz freigehalten!«
Mit einem tiefen Seufzer ging Mitzi auf den Tisch in der Ecke zu.
Acht Leute saßen über Zeitungen gebeugt da, dazu kam der symbolhaft leerstehende Stuhl. Abgesehen von dem Filzhutmann waren sie alle etwa in ihrem Alter. Und sie hatten allesamt graue Gesichter und wirkten etwas kränklich und furchtbar unglücklich. Auf einmal sah Mitzi genauer hin.
»June? June Barlow? Mick? Sally?«
Vor Schreck wurde ihr beinahe
Weitere Kostenlose Bücher