Magical Village 2 Sonne, Mond und Liebeszauber
Kosmetikkoffer und den unzähligen Zeitschriften kämpfte, hatte Lewis den Rückwärtsgang eingelegt, röhrend eine beängstigende Verkehrsdichte umschifft und den Bahnhof hinter sich gelassen. Er hatte, registrierte sie verschnupft, ihren hochgerutschten Rock mit keinem einzigen Blick gewürdigt.
Die Straßen der Innenstadt ähnelten einem Irrgarten, aus allen Richtungen kamen Fahrzeuge, aber Lewis war es offenbar gewohnt, in dieser Gegend zu fahren, und führte nach entschuldigendem Seitenblick zu ihr eine Flut unaufhörlicher abgehackter Gespräche über die Freisprechanlage seines Handys, das von dem Moment an, da er es angeschaltet hatte, unablässig klingelte.
»Tut mir leid«, flüsterte er ihr lautlos zu, als ein Anruf auf den anderen folgte. »Arbeit.«
Obwohl Amber beide Seiten der kurzen Wortwechsel hören konnte, klang das alles in ihren Ohren wie Geheimsprache. Nichts davon ergab einen Sinn. Allerdings tauchte immer wieder der Name Jem auf.
Arbeit, dass ich nicht lache, dachte Amber finster.
Kein Wunder, dass er ihr nur einen flüchtigen Blick geschenkt hatte. Lewis hatte nur Augen für Jem.
War das eine Kurzform für Jemma, wie ihre Freundin daheim?
Oder Jemima? Oder war es vielleicht nur ein liebevoller Kosename? Wie auch immer. Jem war offenbar Lewis’ große Liebe. Mist aber auch.
Innerhalb weniger Minuten hatten sie die mehrspurigen Straßen mit den Abgaswolken des Stadtzentrums hinter sich gelassen und sausten auf einer Schnellstraße auf eine wahrhaft ländliche Gegend zu.
Auch wenn das Handy nun ausgeschaltet war, ein Gespräch bei offenen Fenstern und dudelndem Radio wäre sowieso nicht möglich gewesen. Lewis schien ohnehin keine Neigung zu einer Unterhaltung mit ihr zu verspüren.
Während ihr der Schweiß zwischen die Brüste sickerte und auf ihrer Oberlippe zu Perlen gerann, starrte Amber hinaus auf unvertraute versengte Felder und trockene, staubige Bäume und versuchte, die aufwallende Woge von Heimweh herunterzuwürgen.
Sie hätte ihn gern über Fiddlesticks ausgefragt, und wie Gwyneth so war und um was für eine Art Band es sich bei Hayfields denn handelte. Obgleich sich die letzte Frage wahrscheinlich selbst erklärte. Bei so einem Namen ging es garantiert um Country und Western. Die Art von Musik, die sie am allerwenigsten mochte. Jede Menge Karomuster und Stiefel und Gejaule über gebrochene Herzen und einsames Pfeifen von Lokomotiven und Männer, die wussten, was einen echten Mann ausmacht.
Womöglich gab es dabei auch noch alberne Reihentänze. Und Jem war wahrscheinlich Fiddlesticks blonde und vollbusige Antwort auf Dolly Parton.
Sie blinzelte eine vereinzelte Träne fort und wünschte auf einmal, sie säße mit Coral und Topaz und ihren Eltern eingezwängt in dem Wohnmobil. Selbst wenn sie unterwegs waren, um in einem fremden Land wie im Mittelalter zu leben, waren sie immerhin gemeinsam unterwegs.
Zum ersten Mal in den siebenundzwanzig Jahren ihres Lebens war Amber ganz auf sich allein gestellt. Ohne Freunde oder Familie. Wenn sie morgens aufwachte, würde sie nur Fremde sehen. Das hätte ein aufrichtendes Moment ruhmreicher Selbstfindung sein können, war es aber nicht.
Ach, jetzt reiß dich um Himmels willen mal zusammen, dachte sie. Es ist nicht angesagt, sich hemmungslos in den Qualen der Einsamkeit zu suhlen. Sie war erwachsen. Sie war einfach nur unterwegs, um eine Weile mal woanders zu wohnen, und das würde aufregend und erhebend werden. Würde es. Würde es bestimmt. Denk an Frauen wie Ellen MacArthur, die im Alleingang rund um die Welt gesegelt sind, auf Gedeih und Verderb allen Arten von Schrecken der wildesten Ozeane allein getrotzt haben. Ohne Begleitschutz.
Sie hatten die Hauptstraße hinter sich gelassen und rasten nun auf engen, von hohen Hecken gesäumten Landstraßen dahin, die alle gleich aussahen. Ab und zu zischte ein Cottage oder Herrenhaus vorbei und war gleich wieder außer Sicht, es blieben nur weite Felder und Hügel und Grüppchen dürrer Bäume.
»Alles okay?« Lewis übertönte das Radio und warf ihr einen Seitenblick zu. »Nicht zu heiß?«
Sie schüttelte den Kopf. Sie fühlte sich, als würde sie schmelzen, und wusste, dass ihr Make-up verlaufen war und ihr das Haar in verschwitzten Rattenschwänzen am Kopf klebte, aber verdammt wollte sie sein, wenn sie sich anmerken ließ, wie elend ihr zumute war.
»Mir geht’s gut, danke. Äh – Reading schien eine lebhafte Stadt zu sein. Wie ist das Nachtleben dort? Irgendwelche guten
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