Magical
Ich wünschte, ich wüsste, wie. Im Fernsehen ließ sich einMädchen, das verlassen wurde, eine neue Frisur machen und bekam dadurch ihren Mann zurück. In Filmen würde man einen Auftragskiller auf Lisette ansetzen. Das schien mir etwas extrem, aber ein neuer Haarschnitt allein würde nichts bringen.
Nein, es war hoffnungslos.
Doch manchmal, im Journalismusunterricht, sah ich hinüber zu Warner und entdeckte, dass er zu mir schaute. War es verrückt zu glauben, dass er mich immer noch liebte, dass er nicht alle ihre Lügen glaubte?
Ich stürzte mich auf das, was mich noch nie enttäuscht hatte: die Schule. Im Literaturunterricht machten wir Projektarbeiten rund um Macbeth. Obwohl ich Shakespeare mochte, fand ich dieses spezielle Stück schwierig. Die Ungerechtigkeit, dass Macbeth all diese Leute umbringt, um König zu werden, ähnelte zu sehr meinem eigenen Leben.
Zum Glück war das Projekt selbst aber einfach. Wir konnten ein Gemälde anfertigen, Ausdruckstanz vorführen oder einen Schmetterlingsgarten zum Thema Macbeth anlegen, lauter Dinge, die man tun konnte, ohne das Stück tatsächlich gelesen zu haben.
Mein Projekt war ein Tagebuch aus Sicht von Lady Macbeth. Ich wählte es aus, weil ich es nicht vor der Klasse zu präsentieren brauchte. Als ich ins Klassenzimmer kam, legte ich es Ms Delgado aufs Pult.
Heute trug Kendra einen Schottenrock, eine Tunika und eine Krone. Ihr langes Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst. »Schönes Kostüm«, sagte ich. »Und so authentisch.«
Courtney, die zwei Plätze weiter saß, stieß Midori an. »Da lechzt jemand nach Aufmerksamkeit.« Sie machte eine Kopfbewegung zu Kendras Macbeth-Kostüm hin.
Ja, Courtney, Tayloe und Midori hatten immer noch mit mir zusammen Unterricht. Die Highschool ist wie ein Hamsterrad, das nie aufhört, sich zu drehen.
»Mein Gott, hat die keine Eltern?«, stimmte Midori zu.
Kendra ignorierte sie. Ich bewunderte sie dafür, dass es ihr egal war, was die Leute über sie dachten.
»Was für ein Projekt machst du?«, fragte ich.
Bevor sie antworten konnte, fragte Ms Delgado, ob jemand freiwillig anfangen wollte. Natürlich nicht.
»Na gut, dann fange ich freiwillig mit jemandem an. Tim Minor?«
Ein großer, dünner Junge aus dem Basketball-Team schlurfte nach vorne. Er nahm sein Buch, schlug es auf und begann mit Lady Macbeths »Schraub deinen Mut nur bis zum höchsten Grad«-Monolog.
Ein paar Leute, einschließlich Tim, lachten, als er »Kämmerlinge« und dann »Dampfhelm« sagte. Niemand scherte es, dass er die meisten Wörter nicht richtig aussprechen konnte. Die coolen Leute konnten jemanden fertigmachen bis zum Tod (und ganz sicher konnten sie die englische Sprache fertigmachen) und niemand machte es etwas aus.
»Das war sehr schön«, sagte Ms Delgado, als er fertig war.
Ich schüttelte den Kopf. Wetten, dass er eine Eins bekam?
Als Nächste hob Kendra die Hand.
»Ich werde eine Zwölfton-Arie singen, die auf Macbeths ›Aus! Kleines Licht!‹-Monolog beruht. Die Zwölftonmusik wurde von Arnold Schönberg in den 1920er-Jahren entwickelt. Darin verwendet der Komponist alle zwölf Töne der chromatischen Tonleiter in einer vorgeschriebenen Reihenfolge, die Zwölftonreihe genannt wird. Er muss sie als Ursprungsreihe, als Umkehrung, als Krebs der Ursprungsreihe und als Krebs der Umkehrung verwenden.«
»Was immer sie da gerade labert«, flüsterte Courtney.
»Ich habe Zwölftonmusik ausgewählt«, fuhr Kendra fort, »weil ich fand, dass ihre Dissonanz am besten Shakespeares Satz ›Ein Märchen ists, erzählt von einem Blödling‹ versinnbildlicht.« Hatte sie Courtney angesehen, während sie das sagte? Ja. »Voller Klang und Wut, das nichts bedeutet. Das nichts bedeutet!«
»Soll das ein Kostüm sein?«, fragte Midori. »Oder ist es einfach mal wieder Zeit zu waschen?«
Kendra räusperte sich. »Ms Delgado, ich habe ein wenig Aktionskunst in meine Präsentation mit eingebaut. Wäre es möglich, die Lichter auszuschalten?«
Ein paar Leute johlten und Courtney sagte: »Oh ja, dann müssen wir sie nicht sehen.«
Ms Delgado sagte: »Wir müssen die Lichter wohl anlassen, Kendra.«
Kendra zuckte mit den Schultern. »Okay.« Sie zog eine Kerze aus ihrer Tasche.
»Ich glaube, es gibt auch eine Regel, die Feuer verbietet«, fügte Ms Delgado hinzu.
»Oh, das ist keine echte Kerze.« Kendra schüttelte sie kurz, und obwohl sie wie eine echte Kerze aussah, ging sie ohne Streichholz oder Feuerzeug an. »Sehen
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