Magical
paar neue Schallplatten für die Victrola gekauft. Eine davon ist wirklich großartig, sie heißt You’ve Got Me Hypnotized .«
Ich fühlte einen stechenden Schmerz. Eine Scherbe Porzellan hatte mir in den Finger gestochen.
»Na ja, vielleicht können wir das ja morgen machen«, sagte Hestia.
»Ja, morgen«, stimmte Brewster zu. »In der Tat würde ich dich gern jeden Abend sehen, jetzt, wo ich dich wieder gefunden habe.«
Ich saß da und saugte an meinem blutenden Finger. Meine Tränen wuchsen zu einer Flutwelle an.
»Oh, um Himmels Willen, also gut«, sagte Mrs Davis. »Hör auf mit dem Geflenne, du kleine Närrin, und hol Celia, damit sie dir mit dem Schlamassel hilft. Du kannst bis morgen bleiben, aber nicht länger.«
Sie schickte mich aus dem Zimmer, deshalb brauchte ich Brewster und Hestia nicht weiter zuzuhören, wie sie redeten, lachten, Pläne schmiedeten und sich ineinander verliebten.
Endlich waren das Geschirr und auch das letzte bisschen Crème Brulée unter Celias wachsamem, erbarmungslosem Blick weggeräumt. Endlich waren meine spärlichen Habseligkeiten in einen alten Kissenbezug gepackt und ich ging zu Bett.
Doch ich schlief nicht. Stattdessen wartete ich, wartete, bis sich Brewsters Schlüssel im Schloss drehen würde, und wartete ebenso sehnsüchtig auf eine Antwort auf die Fragen, von denen mein Kopf voll war. Was sollte ich tun?Wohin sollte ich gehen? Ich war ein Risiko eingegangen, ich hatte alles aufs Spiel gesetzt, wie die Männer auf den Schiffen bei ihren Kartenspielen, und ich hatte verloren. Ich hatte nicht nur keinen Brewster, keine Arbeit, keine Bleibe. Ich hatte keine Familie. Ich hatte keinen Ozean. Ich hatte keine Stimme. Ich hatte keinen Schwanz.
Ich hatte nichts.
Die Uhr hatte schon lange zwölfmal geschlagen, als ich endlich hörte, dass Brewster das Haus betrat. Dann hörte ich Stimmen.
»Wie ist es gelaufen? Erzähl mir alles.« Das war seine Mutter.
»Wo du recht hast, hast du recht«, sagte Brewster lachend. »Hestia ist weder fett noch vulgär. Tatsächlich ist sie genau das Mädchen, das ich gesucht hatte. Binnen Jahresfrist wirst du Hochzeitsglocken hören, darauf würde ich wetten.«
Ihre Stimmen waren leise, aber sie füllten das Haus und folterten meine Ohren.
»Ich hatte schon befürchtet«, sagte seine Mutter, »du würdest mit dem Dienstmädchen durchbrennen.«
Er lachte. »Oh, da war nichts. Aber man kann doch nicht erwarten, dass ich ein hübsches Mädchen ignoriere, wenn es in meinem eigenen Haus wohnt.«
Und dann gingen die Türen zu und es herrschte Stille im Haus. Es lag nicht in meiner Macht, diese Stille zu brechen, und auch wenn ich es gekonnt hätte, hätte ich nicht geschrien und getobt, denn das hätte meine Pläne vereitelt. Ich wusste jetzt, worin diese Pläne bestanden.
Mein Plan war, mich so leise wie möglich aus meinem Zimmer zu schleichen.
Ein Mal stehen zu bleiben, um aus dem Fenster zu schauen und die Welt der Menschen mit ihren Sternenketten zu sehen, die Welt, auf die ich so begierig gewesen war und die mich jetzt verraten hatte.
In die Küche zu gehen.
Die Ofentür aufzumachen, ohne dass sie quietschte.
Den Knopf zu drehen.
Vergessen, ein Streichholz anzuzünden.
Mich neben dem Ofen auf den Boden zu setzen.
Zu warten, bis ich einschlief.
Dann schwebte ich, schwebte hoch in der Luft über mir. Ich schaute hinunter auf die Küche, auf den Ofen und sogar hinunter auf das Mädchen mit dem goldenen Haar in dem geliehenen Nachthemd. Auf jeder Seite hielt mich ein Arm fest und ich hörte Stimmen.
»Was sollen wir mit ihr machen?«, sagte die Stimme zu meiner Linken.
»Ich weiß nicht«, sagte die zu meiner Rechten. »Sie ist eine Meerjungfrau. Sie hat keine Seele.«
»Eine Meerjungfrau? Wo ist denn dann ihr Schwanz?«
»Trotzdem …«
Ich schaute von einer Seite auf die andere. Es waren Frauen, schöne Frauen mit weißen Gewändern, und ihre Flügel flatterten.
»Seid ihr Engel?«, fragte ich, denn meine Stimme war wieder zurückgekehrt.
»Wir sind Töchter der Lüfte. Wenn du menschlich bist, können wir dich mitnehmen und du wirst für immer im Himmel leben.«
Ich starrte auf die Hülle des Mädchens hinunter, das ich einmal gewesen war. Ich hatte das Gefühl, dass ich sie nicht kannte, dass ich ihre Dummheit nicht begriff, dass ich sie gar nicht kennen wollte.
Dennoch sagte ich: »Ich war ein Mensch … eine Weile lang … in letzter Zeit.«
Rechts schaute Links an, dann hinunter auf meinen reglosen, stillen
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