Magical
als wir zwischen zwei großen Marmorstatuen hindurchgingen.
Ich versuchte, ihn in Richtung Brunnen zu führen, aber bevor wir dort ankamen, sah ich einen Tisch mit Gemüse, das auf einer Spiegelplatte drapiert war. Er bemerkte, dass ich hinschaute. »Möchtest du etwas essen?«
Ich hatte es kaum geschafft, den Reißverschluss an Mutters Größe-Fünf-Jeans zuzumachen, aber ich sagte: »Vielleicht eins.« Ich trat näher an den Tisch heran.
»Die meisten Mädchen, die ich kenne, essen gar nichts«, sagte Travis.
Das Arrangement war bereits ein wenig durcheinandergekommen, deshalb fand ich ein Stück Spiegel, auf dem nichts lag, und ich konnte mir darin ansehen, was Kendra mit mir gemacht hatte.
Ich atmete aus. Es war mein Gesicht, mein normales Gesicht. Sie hatte nichts gemacht. Sogar der Zauber, den Mutters Stylisten-Geschwader gewirkt hatte, war verblichen. Nicht einmal mein Haar sah mehr großartig aus, nachdem es der feuchten Nachtluft ausgesetzt gewesen war, und mein Make-up war verblasst.
Und doch sah mein Gesicht gar nicht schlecht aus. Normalerweise fand ich mich zwar nicht unbedingt hässlich, aber zumindest unterdurchschnittlich in den Augen der fiesen Mädchen aus der Schule oder im Vergleich zu Lisette. Das Mädchen, das mich jetzt aus dem Spiegel ansah, war überhaupt nicht hässlich. Es war hübsch, hübsch genug zumindest, mit seinen durchdringenden schwarzen Augen und den geschwungenen Augenbrauen. Nein, es war nicht das dünnste Mädchen im Raum. Kein Model. Es sahnicht aus wie Lisette, aber es sah absolut nicht schlecht aus. Es war total in Ordnung. Etwas hatte sich vielleicht verändert, vielleicht als Warner mich geliebt hatte oder vielleicht sogar schon früher. Oder vielleicht hatte sich überhaupt nichts verändert und ich war schon immer hübsch gewesen. Das Mädchen, das Travis gerade sah, war nicht schön, aber hübsch genug, um neben jedem anderen bestehen zu können.
Vielleicht hatte Mutter recht. Vielleicht war ich etwas Besonderes.
Er … Travis … reichte mir etwas, einen Cracker mit Käse darauf. Ich nahm ihn. »Oh, danke. In welchem Shakespeare-Stück würdest du denn gern spielen?«
Er dachte darüber nach. »Ich mag die historischen Stücke, Richard III. oder Heinrich VIII., aber sie werden nicht so oft gespielt. Außerdem glaube ich kaum, dass irgendjemand einen früheren Kinderstar als Buckligen engagieren würde. Wenn ich mir eines der populären Stücke aussuchen würde, dann wahrscheinlich Hamlet. Das wird häufig inszeniert.«
Ich nickte. »Ich habe mal gelesen, dass es nach Aschenputtel die meistverfilmte Geschichte ist.«
Aschenputtel.
»Aber ich würde es nicht als Film machen wollen. Mir gefällt die Vorstellung, auf der Bühne zu stehen. Ich habe Konzerte und so weiter gegeben, und als ich noch klein war, bevor ich im Fernsehen auftrat, führten wir ein Stück in der Schule auf. Ich hatte natürlich die Hauptrolle, weil sie meinen Vater kannten …«
»Bestimmt hattest du Talent dafür.« Ich hatte seine Show seit Jahren nicht gesehen, aber ich erinnerte mich daran, dass er gut gewesen war.
»Vielleicht. Aber es ist anders, als im Fernsehen aufzutreten. Das Publikum ist direkt vor einem und man kann seine Energie spüren. Das war cool.«
»Darauf wette ich.«
»Für die Show haben wir ein Studiopublikum, aber sie kreischen nur, weil sie denken … egal. Es ist peinlich.«
Ich nickte. Mädchen kreischten, weil sie ihn toll fanden.
»Was ist dein Lieblingsstück von Shakespeare?«, fragte er mich.
Mein erster Gedanke war: Nicht Macbeth. Doch stattdessen sagte ich: »Oh, definitiv Der Kaufmann von Venedig.«
»Die starke weibliche Heldin, Portia. Find ich gut.«
»Ja, das, und na ja, meine Lieblingsstelle ist die, in der Bassiano um Portias Hand anhält und sich zwischen drei Kästchen entscheiden muss. Er wählt das, das am wenigsten protzig ist, und es ist das richtige, nicht das aus Silber oder das aus Gold, sondern das Kästchen aus Blei.« Das gefiel mir wegen Lisette.
»So ist oft äußerer Schein sich selber fremd« , sagte er.
Ich lachte. »Die Welt ist immerdar durch Zier berückt. Du kennst es!«
»Mein Hauslehrer und ich haben es letztes Jahr gelesen.«
»Aber du kennst es auswendig. Das ist wunderbar.«
»Ich glaube, manchmal muss man genauer hinsehen, um herauszufinden, was wichtig ist. So wie sich manchmaldas Mädchen, das man kennenlernen will, hinter einem Weidenkorb versteckt und ein Buch liest.«
Ich wusste nicht, was ich sagen
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