Magical
besuchen. Außerdem musste man Risiken eingehen, wenn man belohnt werden wollte.
Ich trat ein.
Der erdige Boden fühlte sich selbst durch meine Schuhe hindurch kalt an, und die Kammer war dunkler als alle anderen Orte, an denen ich je gewesen war. Die Tür fiel hinter mir zu. Ich zuckte zusammen, als hätte ich die Pistole eines Mörders gehört.
Kaum schlug die Tür zu, war der Raum von Licht durchflutet, mehr Licht, als ich je in einem geschlossenen Raum gesehen hatte, selbst in Versailles. Und doch war nirgends eine Flamme. Ich konnte die Quelle des Lichts nicht entdecken. Das Zimmer, in dem ich war, schien geräumig und bequem zu sein, anders als die Kammer, die ich von draußen gesehen hatte, und die Frau, die mich begrüßte, war schön. Sie war in meinem Alter und hatte langes schwarzes Haar. Ich schirmte meine Augen mit den Händen ab und sagte zu der jungen Dame: »Ich bin gekommen, um die Hexe Kendra zu sehen.«
»Das bin ich.«
Sie streckte mir nicht die Hand hin. Hätte sie es getan, hätte ich sie ohnehin nicht genommen. Sie machte auch keinen Knicks.
»Aber …« Ich erinnerte mich an die Beschreibungen, die ich gehört hatte, nach denen sie ein altes grünhaariges Weib war. In der Tat rief ich mir die hutzelige Klaue ins Gedächtnis, die ich nur einen Augenblick zuvor gesehen hatte.
»Ich kann mein Aussehen nach Belieben verändern. Das ist ganz praktisch … wenn man einen Zauber wirkt.«
Und wenn man Schuldzuweisungen entgehen wollte, nahm ich an, falls etwas schiefging. Aber das sagte ich lieber nicht. Ich hatte Wichtigeres zu besprechen.
Ich blinzelte in das helle Licht. Ihre Augen hatten die Farbe von Smaragden.
»Ich brauche deine Hilfe.«
Ihr Blick traf meinen und einen Augenblick lang konnte ich Mitleid darin lesen.
Doch dann begann sie zu lachen.
»Ihr, der große Dauphin Frankreichs, braucht meine Hilfe?«
»Ja. Ja.«
Abrupt hörte sie auf zu lachen. »Und Ihr haltet mich für – was? Eine gute Fee? Oder vielleicht einen Flaschengeist? Hexen erfüllen keine Wünsche. Wir tun, was wir wollen.«
Darauf war ich vorbereitet gewesen, nicht jedoch auf ihre respektlose Art zu sprechen. »Ich werde dich für deine Mühe hübsch entlohnen.« Ich zog ein Säckchen Münzen unter meinem Umhang hervor.
»Was geht mich Euer Geld an?«
»Die meisten Leute scheint es ziemlich viel anzugehen.«
»Dann gebt es ihnen. Ihr habt genug, und viele in Paris haben gar nichts. Außerdem bin ich nicht die meisten Leute. Ich bin niemand außer mir selbst.«
Ich wich zurück, überrascht von ihrer Dreistigkeit. »Und ich bin dein Prinz. Ich könnte dich köpfen lassen, wenn ich wollte, oder hängen.«
»Sucht mich, wenn Ihr könnt.« Sie schwenkte ihren Arm und eine Sekunde später war sie verschwunden. An ihrer Stelle saß nur eine schwarze Krähe. Sie flog auf mich zu und ich hob schützend die Arme vors Gesicht. Als ich sie wieder herunternahm, stand eine andere Frau vor mir. Sie hatte rotes Haar und war das Abbild von Prinzessin Maria Teresa. Ich schnappte nach Luft.
Doch als sie sprach, erklang Kendras Stimme. »Die, dieals Hexen gehenkt werden, sind keine Hexen. Echte Hexen können nicht gefangen werden, und ich bin eine echte Hexe.«
Während ich in ihre Augen starrte, vor allem jetzt, wo sie die Gestalt der Prinzessin angenommen hatte, die ich am liebsten geheiratet hätte, die ich aber nie wieder sehen würde, spürte ich, dass ich vor Enttäuschung und Zorn beinahe überkochte.
»Bitte!«, flehte ich. »Bitte, du musst mir helfen! Du bist meine einzige Hoffnung, du bist die Einzige, an die ich mich wenden kann!« Und dann brach die ganze Geschichte der sechs Prinzessinnen, die ich um ihre Hand hätte bitten sollen und derer ich verlustig gegangen war, aus mir heraus. Ich werde euch die Details meines Weinens und Zähneklapperns ersparen, es sei nur gesagt, dass es in der Tat zu Zähneklappern kam. »Meine Mutter hat sich in den Kopf gesetzt, jede Möglichkeit einer Heirat zu sabotieren. Du musst sie aufhalten.«
Kendra machte eine Handbewegung und verwandelte sich in ein altes Weib. »Du sagst, dass ich dadurch, dass ich dir helfe, die Wünsche deiner Mutter vereiteln würde?« Das schien sie zu interessieren. Zumindest verzog sich ihr zahnloser Mund zu einem trägen Grinsen.
»Ja. Ja! Sie will nicht, dass ich heirate. Das wird aus ihrem Benehmen deutlich.«
Kendra kratzte sich an der Warze auf ihrer langen Nase, dann verwandelte sie sich wieder zurück in eine junge Frau. »Tut mir
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