Magie der Liebe
Knight war keineswegs beeindruckt, sondern lächelte nur spöttisch. »Das soll er ruhig versuchen! Ich glaube allerdings, daß ich ihn viel zu gut bezahle.«
Lily konnte sich von ihrer Verblüffung überhaupt nicht erholen. »Sie sind tatsächlich nicht ärgerlich?«
»Nein, aber ich bin müde. Lassen Sie uns zu Bett gehen, Lily!« Sobald ihm die Doppeldeutigkeit seiner Worte aufgegangen war, wuchs seine Erregung. Als er sich hastig abwandte und zur Tür ging, fiel ihm die bissige Bemerkung ein, mit der ihn sein Kammerdiener heute abend beim Verlassen des Hauses verabschiedet hatte. »Hatten Sie irgendwelche Schwierigkeiten mit meinem Kammerdiener Stromsoe?«
Da Lily den Mann nicht in unnötige Schwierigkeiten bringen wollte, schüttelte sie den Kopf. Daraufhin verabschiedete sich Knight und lief rasch die Treppe hinauf, während Lily ihm langsamer folgte und dabei an die Begegnung mit Stromsoe dachte. In Wahrheit hatte er sich ziemlich unfreundlich benommen, doch das hatte sie nicht weiter tangiert. Am späten Nachmittag war er ihr im Korridor über den Weg gelaufen -
»Darf ich fragen, wohin Sie gehen, Madame?« hatte er in giftigem Ton gefragt und ihr regelrecht den Weg verstellt.
Lily hatte seine rosafarbenen Bäckchen und die pomadigen Haare betrachtet und geschmunzelt. »Nein, Stromsoe, das dürfen Sie nicht. Es geht Sie nämlich nichts an.«
Daraufhin war er ein wenig zurückgeschreckt. »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein, Madame?«
»Sie können mir höchstens ein Glas warme Milch aus der Küche holen.«
Augenblicklich erstarrte er vor Empörung. »Das gehört nicht zu meinen Pflichten!«
»Weshalb haben Sie dann angeboten, mir zu helfen? Das verstehe ich nicht.«
Offenbar hatte ihre Reaktion ihn verärgert, und Lily versuchte sich vorzustellen, was er seinem Herrn alles erzählt hatte. Irgendwann spürte sie, wie sich Angst in ihr breitmachte. Da sie erwachsen war, gelang es ihr meistens, die Ängste vor den Kindern zu verbergen, doch in ihrem tiefsten Herzen wünschte sie sich nichts anderes als Sicherheit. Für andere Dinge war im Augenblick kein Raum. Vor dem Einschlafen dachte sie noch einmal an Knights Bemerkung über die Trauer der Kinder. Wenn sie es genau überlegte, so mußte sie feststellen, daß dazu bisher eigentlich noch gar keine Zeit gewesen war.
Am folgenden Tag betrat Knight sein Arbeitszimmer, um verschiedene Papiere für Tilney Jones zu holen, doch auf der Schwelle blieb er verdutzt stehen. Laura Beth kniete auf seinem Schreibtischstuhl und beugte sich über einen Bogen Papier, auf dem sie mit dem Federkiel so heftig herumkrakelte, daß der Schaft beinahe splitterte. Um sie herum lagen eine ganze Reihe wichtiger Papiere, die meisten in gefährlicher Nähe des handgeschnittenen Tintenfasses aus Onyx.
Knight räusperte sich leise. »Laura Beth«, sagte er dann ganz sanft, weil er sie nicht erschrecken wollte.
Trotzdem schoß das Kind in die Höhe und starrte ihn mit dunklen, riesigen Augen an, und wieder einmal wunderte er sich, wie wenig sie ihren Eltern ähnlich sah. »Oh!« entfuhr es ihr überrascht. »Hallo!«
»Darf ich wissen, was du hier tust?«
Laura Beth stand auf dem Stuhl und stützte ihre Händchen auf die Tischplatte. »Ich zeichne«, war die Antwort. »Möchtest du es sehen?«
»Ja«, antwortete Knight, ohne das Tintenfaß aus den Augen zu lassen. »Weshalb zeichnest du eigentlich hier? Das ist doch mein Zimmer.«
»Oh«, bemerkte Laura Beth ohne das geringste Schuldbewußtsein.
»Wo ist deine Mutter?«
»Mama ist im Bett. Sie hat Bauchweh.«
Rasch trat Knight einen Schritt näher. »Warum hat mir das niemand gesagt? Ich werde gleich nach ihr sehen.«
»Sie hat aber gesagt, daß sie schlafen will! Es ist ja gar nicht schlimm.«
Jetzt war die Reihe an Knight. »Oh! Hat deine Mutter dich hierher geschickt?«
Laura Beth senkte ganz langsam den Blick. »Nein«, kam es fast unhörbar, »sie denkt, daß ich in ihrem Zimmer bin, aber ich mag die Kohlestifte nicht. Die sind so schmutzig!« Ruckartig richtete sie sich auf, um ihm die schwarzen Streifen auf ihrem blaßrosa Kleid zu zeigen. Dabei verrutschte der Papierberg, so daß das Tintenfaß umfiel und sich die schwarze Tinte über die wichtigen Schriftstücke ergoß.
Laura Beth quietschte ängstlich, und Knight sprang mit einem Satz hinzu, um sie aufzufangen. Dabei fühlte er, wie die Tintenfeder sein Gesicht streifte und sich dann die dünnen Arme des Mädchens fest um seinen Nacken klammerten. Als
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