Magie der Liebe
Bescheid, denn sie hat entsetzlich geweint, bis Betty mich endlich geholt hat.«
»Als ich ging, schlief sie tief und fest.«
»Irgendwann muß sie aufgewacht sein, und dann konnte sie Sie nicht finden.«
»Mrs. Allgood hat mir gesagt, daß Sie sich um sie gekümmert haben.«
»Was haben Sie denn erwartet? Ich konnte sie doch nicht weinen lassen! Sie hat sich wie ein kleines Äffchen an mich geklammert, und ihr lebendiger Baum hat sie herumgetragen.«
»Glauben Sie wirklich, daß das Gerede ein Ende haben wird, wenn die Kinder und ich nicht mehr in London sind?«
»Aber natürlich! ›Aus den Augen, aus dem Sinn‹ heißt es doch. Wenn Sie der Meinung sind, daß John etwas taugt, dann können Sie bereits in den nächsten Tagen nach Castle Rosse umziehen.«
»Ich kann das nicht glauben.«
»Daß das Gerede aufhören wird?« Knight zuckte die Achseln. »Die Gesellschaft ist ein wahrer Dschungel, in dem ich mich schon seit längerer Zeit herumtreibe und auch ganz gut auskenne. Wenn man Sie nicht zu Gesicht bekommt, dann sind Sie schnell vergessen.«
Lily erhob sich. »Nun gut«, sagte sie und fuhr dann nach einer kleinen Pause fort: »Ich bin noch ganz durcheinander - und weiß nicht recht, wie ich es sagen soll. In der letzten Nacht - ich habe Ihnen noch nicht einmal gedankt, daß Sie mich vor Ugly Arnold und seinem scheußlichen Freund gerettet haben!«
»Aber das war doch selbstverständlich!«
»Außerdem bin ich entsetzt über das, was hinterher in der Mietkutsche vorgefallen ist! Es tut mir leid, daß ich Sie so erschreckt habe!«
Knight konnte vor Überraschung kein Wort herausbringen. Dabei war doch
er
über sie hergefallen!
»Es tut mir leid, daß ich mich so seltsam benommen habe«, fuhr sie schließlich fort. »Ich kann es mir selbst nicht so recht erklären. Ich kann nur hoffen, daß Sie es möglichst rasch vergessen!«
»Das werde ich mit Sicherheit nicht tun!«
Ein wenig hilflos lächelte Lily ihn an.
»Haben Sie eigentlich eine Vorstellung davon«, begann Knight schließlich mit leiser Stimme, »was es für einen Mann bedeutet, wenn sich eine Frau ihm so hingebungsvoll überläßt, ihm ganz und gar vertraut? Nein, natürlich nicht! Gehen Sie lieber, bevor ich noch mehr Unsinn rede! In der vergangenen Nacht habe ich mich wirklich nicht wie ein Gentleman benommen. Ich bin nicht nur über Sie hergefallen...« Er seufzte. »Lily, gehen Sie jetzt lieber, statt diesen dummen Kerl vor Ihnen noch länger anzuschauen!«
Sie befeuchtete ihre Lippen. »Es tut mir leid.«
»Sagen Sie nichts mehr! Ich weiß doch, daß Ihre Reaktion nichts mit mir zu tun hatte. Wie unendlich glücklich muß Tris während dieser fünf Jahre gewesen sein, diese Leidenschaft und dieses Vertrauen zu besitzen!«
Noch während er sprach, drehte Lily sich abrupt um, raffte ihre Röcke und rannte zur Tür. Aufgeregt riß sie einige Male am Türknauf, bis er schließlich nachgab. Knight meinte, ein Schluchzen gehört zu haben, doch er war sich nicht sicher. Allmählich haßte er sich, denn offensichtlich hatte er sie ein weiteres Mal verletzt, obwohl das gar nicht seine Absicht gewesen war.
Tilney Jones jüngerer Bruder John war ein netter, junger Mann mit Denkerstirn und intelligent blickenden, braunen Augen. Unerwarteterweise stellte sich heraus, daß er außerdem Humor besaß und sich Lily gegenüber ganz normal verhielt. Knight hatte sich nicht dazu überwinden können, die beiden allein zu lassen, denn er hatte sich vorgenommen, den jungen Mann beim ersten Zeichen von Verliebtheit notfalls vor die Tür zu setzen.
Nachdem John, wie er genannt werden wollte, gegangen war, wollte Knight das Ergebnis wissen. »Sind Sie mit ihm einverstanden, Lily?«
»Oh, ja! Er ist ein ganz reizender junger Mann. Ich glaube, die Jungen werden gut mit ihm auskommen.«
»Ich bin erleichtert, daß er sich nicht auf der Stelle in Sie verliebt hat.«
Lily lächelte nachsichtig. »Was halten denn Sie von ihm?«
»Ich bin einverstanden. Er wird den Jungen gefallen. Oh, übrigens kann Theo seine Arbeit in der Bibliothek auch in Castle Rosse fortsetzen. Wenn ich mich recht erinnere, herrscht dort eine noch weit größere Unordnung als hier.«
»Dafür bedanke ich mich.«
Knight winkte ab. Doch statt etwas zu sagen, ging er nur eine Weile nachdenklich auf und ab. Lilys Augen folgten jeder seiner Bewegungen, und sie mußte unwillkürlich seufzen, als sie sich an die Gefühle erinnerte, die er in ihr geweckt hatte, und an seine Hände und seine
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