Magie der Schatten: Roman (German Edition)
wurde unsterblich.«
»Deshalb.« Nairod lehnte den Kopf an die Kristallwand. »Deshalb hast du alles gewusst. Du hast den Tunnel damals einstürzen lassen, so dass wir ihn wieder öffnen mussten.«
»Ich habe ihn nicht nur einstürzen lassen. Ich habe auch meine Magie benutzt, um den Menschen hier Furcht und Schrecken vor diesem Gang einzuflößen, so dass sie ihn nie wieder öffnen würden.«
»Das heißt, du hast damals die Schattenmagie besessen. Du hast sie nur verloren, weil alle Erle ihre Magie, die sie als Mensch besessen haben, verlieren. Wie Lenia gesagt hat.«
»Wie wahr.«
Nairod setzte sich ein Stück auf. »Aber wieso ist sie an mich weitergegangen, die Schattenmagie? Ich kenne keine Möglichkeit, jemandem Magie zu übertragen. Dann würden die Kinder munter ihre Begabungen tauschen.«
Dann hätte ich …
»Es ist so schwer, dass zumindest Kinder nicht dazu fähig sind, und selbst mächtige Magier nicht. Als ich gemerkt habe, dass meine zusammenschrumpfende Gestalt auch meine Magie schwinden lässt, habe ich einen Entschluss gefasst. Ich habe das, was von ihr noch übrig war, in das Buch geleitet, das ohnehin mein ganzes Leben enthielt. Durch diese Gefühlsbindung war es ein Leichtes, meine Magie Tag für Tag stückweise in das Buch zu übertragen, statt sie ganz verschwinden zu lassen. Ich wusste noch nicht, was ich mit ihr tun würde, doch die Erleuchtung kam mir sehr bald. Nämlich als ich erkannte, was für einen Erl lebensnotwendig ist.«
»Menschliches Leid«, knurrte Nairod.
»Die meisten Magier sind schon alt, wenn sie sich in Erle verwandeln. Auf ihre Lebensdauer hat es keinen Einfluss. Sie sind dem Grabe schon so nah, aber meistens bringt nicht ihr Alter sie hinein, sondern die fehlende … Nahrung . Es ist so schwer, die einsamen Menschen aufzustöbern und sich mit ihnen anzufreunden. Und dann gibt es noch immer die Chance, dass ein Mensch, der ihnen nahe ist, plötzlich zurückkehrt. Ein Sohn aus dem Krieg, ein alter Freund aus dem Gefängnis, ein ehemaliger Liebhaber, der sich besonnen hat … so viele Möglichkeiten. Jede ist lebensbedrohlich für den Erl, der dann die mühsam aufgebaute Bindung zu dem einsamen Menschen verliert. Er kann nicht mehr von seinen Gefühlen zehren, und er kann nicht mehr auf seine Gedanken einwirken. Wie gesagt, die meisten Erle sterben daran, dass sie keinen Wirt mehr finden oder ihn verlieren, obwohl sie ohnehin einige Jahre später gestorben wären, an Altersschwäche. Aber ich? Ich hätte unmöglich an Altersschwäche sterben können, und der Unsterblichkeitszauber bewahrt mich auch vor allen Todesarten, die mir sonst einfallen. Doch ich wäre wahrscheinlich genauso früh gestorben wie die anderen Erle, denn diese Sucht nach Leid treibt einen in den Wahnsinn, bis der Körper den kranken Geist nicht länger beherbergen kann und schließlich stirbt. Ich musste meinen Wirt ständig wechseln. Es war eine Qual, und ich habe täglich in Angst gelebt. Aber dann wusste ich, was mir helfen würde: ein einsamer und unsterblicher Wirt.«
Nairod hörte wortlos zu.
»Ich nahm mein Buch … als Köder. Ja, ich teilte es in zwei Teile. Eines spielte ich Ariman zu, der schon damals ein weltabgewandtes Leben führte. Er war ein mächtiger Zauberer, aber nicht zu ungewöhnlich für sein Alter. Den zweiten Teil versteckte ich unter den Waren einer reisenden Bücherhändlerin. Sie würde für mich einen zweiten Magier aufspüren, der von dem Buch gefangengenommen wurde. Es beherbergte schließlich nicht nur eine fesselnde Geschichte von der mächtigsten Magie aller Zeiten, nein, da war auch noch die Schattenmagie, die auf den Leser des Buchs übergehen würde. Beides war in Kombination nahezu unwiderstehlich. Aber ich musste herausfinden, wie stark der Wille meines Wirts war, deshalb schuf ich zwei Hälften. Mein Wirt musste sich gegen Ariman durchsetzen und ihm die andere Hälfte von Eikyuuno abnehmen können. Und wenn ihm das nicht gelang, nun, dann würde Ariman eben mein Wirt werden. Eine Auseinandersetzung war unausweichlich. Ich hinterließ eine Seite mit einer fingierten Nachricht von Ariman in der Bibliothek von Wolkenfels. Früher oder später würde der Besitzer der zweiten Hälfte dort, im Hort der Magie Arlands, suchen. Ich richtete mich derweil in Weißhügel ein und wartete darauf, dass die Aura des Buchs zu mir zurückkehrte. Wenn sie es tat, musste ich mich dem Träger nur als Helfer anbieten. So konnte ich sehen, wie er sich gegen Ariman
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