Magie der Schatten: Roman (German Edition)
kauerte im Schatten eines Steins am Eingang des Tunnels. »Das Mädchen ist wieder da!«
»Nur ein kleiner Zwischenfall. Komm, lass uns den Drachen ansehen, und dann fangen wir an.«
»Aber das Mädchen … Sie wird dich aufhalten.« Sax stolperte hinter ihm her.
»Nein, wird sie nicht. Sie hat ihre Verbündeten umgebracht, um mein Leben zu retten.« Nairod leuchtete mit der Laterne den Weg aus. Das Licht brach sich in der Kristallader und ließ sie hell, fast golden, erstrahlen.
»Es ist vielleicht eine Falle!«
»Schweig endlich.«
Nairod erreichte das Ende des Gangs. Das Laternenlicht drang tiefer in die Ader ein und erfüllte die dunkle Silhouette, die darin schwebte, mit Licht und Farbe. Nairods Herz schlug schneller.
Ein azurblaues Schuppenkleid umgab die Kreatur. Flügel wie die einer Fledermaus, mit Flughäuten aus Himmelblau, lagen über ihr wie eine Decke. Zwischen krallenbewehrten Pfoten ruhte ein Echsenkopf, die Augen geschlossen. Ein langer Schweif lag zusammengerollt um das kleine Wesen herum.
Nairod bewegte die Laterne, und das Licht tanzte über die Schuppen.
»Ein Drache«, sagte er. »Ein leibhaftiger Drache.«
»Ja.« Sax legte die Händchen an die kristallene Wand. »Es ist vollbracht.«
»Ich muss zugeben, dass ich an deinem Rat gezweifelt habe, aber jetzt …«
Nairod eilte zurück in die Halle, um seinen Rucksack zu holen. Lenia saß noch immer neben der Lore. Als Nairod sich mit den Notizblättern auf den Weg machte, erhob sie sich langsam und kam ihm nach.
Er beachtete sie nicht, kehrte zu Sax zurück und breitete die Blätter mit der Formel vor sich auf der Erde aus. Die Laterne hängte er in eine freigesprengte Spalte in der Wand und krempelte die Ärmel hoch. Seine Finger zitterten. Alles an ihm und in ihm zitterte. »Dann mal los.«
»Die Magie.« Sax hielt die Hände an die Kristallader gepresst und die Augen geschlossen. »Sie genügt nicht für den Zauber. Selbst deine und die des Drachen zusammen. Ich kann es spüren.«
»Was? Bist du sicher?« Ein kalter Schauer durchlief ihn.
»Ja. Der Zauber wird fehlschlagen, und ich weiß nicht, ob du eine zweite Gelegenheit bekommen wirst. Die Formel ist so mächtig, dass wir nur ahnen können, was geschieht, wenn sie missglückt.«
»Aber wir haben die Ader. Die Kristallader. Ich könnte ihre Macht anzapfen. Sie muss grenzenlos sein … Wie weit sie wohl noch gehen mag?«
»Und wie schnell sie dich zerreißen mag mit der grenzenlosen Macht, die sie in dich pumpt und über die du keine Kontrolle hast? Einen kleinen, behauenen Kristall, in dem die Verstärkung gut dosiert ist, kann jeder verwenden. Aber reiner Kristall, dazu noch in einem nicht überschaubaren Vorkommen?«
»Das ist wahr, ich sehe es ein. Was soll ich dann –« Der kleine Kristall.
Er grub in seiner Tasche nach dem Kristall, den Lenia ihm gegeben hatte. Seine Finger berührten die kühle Oberfläche. Lenia selbst kam den Tunnel entlanggewankt, über die geborstenen Schienenstränge.
Nairod machte einen Schritt zurück, als habe er einen Geist gesehen. Seine Hand umklammerte den Kristall.
Lenia sah ihn nicht an, sie konnte sich kaum auf den Beinen halten, aber in seinen Gedanken hörte er ihre Worte und starrte den Kristall an.
Du versprichst mir, dass du ihn nicht für Unfug benutzt. Dafür habe ich ihn dir nicht gegeben. Du benutzt ihn nur, wenn es nicht anders geht.
Sein Herz pochte und presste ihm einen Kloß in den Hals. »Das hier ist kein Unfug«, sagte er hilflos. Er drückte die Finger um den Kristall zusammen und öffnete seinen Geist für die Macht. Risse liefen über die Oberfläche, der blaue Stein zersplitterte. Ein Rausch flutete seinen Körper. Er fühlte sich, als müsste er von innen heraus überquellen. Die geliehene Macht pochte in seinen Adern.
»Jetzt«, keuchte er. »Es wird ein Kinderspiel.«
»Nein.« Sax schüttelte heftig den Kopf. »Es genügt nicht. Ich kann es spüren. Du brauchst mehr.«
»Noch mehr?« Nairod beherrschte sich, um ruhig stehen zu bleiben. Konnte das sein? Etwas stimmte nicht, er konnte es spüren. Verheimlichte Sax ihm etwas?
Aber vielleicht war es nur die Energie des Kristalls. Sie zog und zerrte an ihm und wollte genutzt werden.
»Ich kann dir helfen.« Lenia stützte sich mit einer Hand an der Wand ab, während sie heranhumpelte.
»Du?«, fragte Nairod.
»Ich wollte dir immer nur helfen. Hast du das nicht verstanden?« Durch die Maske aus Schmutz und Staub auf ihrem Gesicht liefen Tränen. »Ich
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