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Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Magie der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lisowsky
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jemals den Fuß in die Bibliothek gesetzt hättest, weil es nämlich das Erste ist, was dir eingebläut wird.«
    »Verschlossen … Was heißt das genau?«
    »Das heißt, dass wir nicht hineinkönnen, Nairod.«
    »Nein, das heißt es nicht.« Er stand auf und ging ans Fenster. Draußen senkte sich die frühe Dunkelheit des Oktobers über das Gelände. Regentropfen prasselten gegen die Scheiben. Im Bibliotheksturm auf der jenseitigen Seite des Hofs brannte Licht in vielen Fenstern. »Auf welche Art ist die Untere Bibliothek den Schülern verschlossen? Mit einer Tür? Durch einen verborgenen Eingang, den keiner kennt?«
    »Nein, es ist ein Schutzkreis, der Alarm gibt, wenn jemand die Treppe nach unten betreten will.« Lenia stellte sich neben ihn an die Fensterscheibe und malte mit den Fingern einen kleinen Kreis auf das leicht beschlagene Glas.
    »Den kann ich bannen.« Nairod wischte den Kreis fort.
    »Vielleicht, wenn du deine Unterrichtsstunden besucht hättest. Vielleicht. « Sie sah ihn streng an. »Außerdem wissen wir überhaupt nicht, ob das Buch dort ist. Möglich, dass es nur eine einzige Ausgabe gibt, und dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass die fehlende Hälfte ausgerechnet hier in Wolkenfels ist, na ja, zu gering. Die Mönche schreiben nicht jedes beliebige Buch hundertfach ab. Und außerdem …«, sie verstärkte ihren strengen Blick, »... brichst du nicht in die Bibliothek ein.«
    »Einbrechen ist aber ein schlimmes Wort. Ich will nur nachsehen, ob sie ein Buch haben. Himmel, ich könnte es sogar dort lesen, ich müsste es nicht einmal mitnehmen.«
    »Schön, dass du so noble Absichten hast. Aber wenn sie dich erwischen, dann werden sie davon nichts hören wollen und dich einfach von der Schule werfen.«
    Nairod schlenderte zurück in die siebte Reihe, zu seinem Rucksack. »Das wäre zumindest ein Abgang mit einem Knall.« Er stellte den Ranzen auf den Tisch, um ihn sich aufzusetzen.
    Plötzlich stand Lenia neben ihm. »Du gehst nicht allein.« Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt.
    Er hielt in der Bewegung inne und brauchte eine Weile, bis er begriff. »O nein. Du kommst nicht mit. Du hast eben selbst gesagt, dass sie mich von der Schule werfen werden. Bitte sehr. Aber dich nicht auch noch. Nein, du kommst nicht mit.«
    »Wenn du gehst, dann schon.« Sie kniff die Lippen zusammen.
    Er schüttelte den Kopf. »Das ist Unsinn. Du bist die beste Schülerin, hier im Kurs und sowieso. Ich meine, den Ball von diesem Idioten hast du nur abbekommen, weil ich dich abgelenkt habe. Alle anderen hast du abgewehrt. Und schau dir die anderen an, den Dicken, der in den Bällen praktisch ein Bad nehmen musste, und dann war da am Anfang diese Bohnenstange, die nur keinen Ball abbekommen hat, weil sie so dürr ist. Nein, die Akademie braucht solche wie dich.«
    »Du brauchst mich vielleicht auch. Du weißt nicht, was dort unten auf dich wartet. Wenn sie Wächtertiere haben – einen Flammenbeller, eine Felsenkatze, Geisterfische –, dann kann ich dich schützen.«
    »Schütz dich selbst«, brummte Nairod, »und geh nach Hause.«
    »Nein. Wenn du wirklich nicht von deinem Plan ablässt, dann komme ich mit.«
    »Du bist ganz schön hartnäckig.«
    »So wie du.«
    »Schön«, sagte Nairod. »Du willst also unbedingt Ärger haben. Dann komm mit.«
    »Hast du denn einen Plan?«
    Nairod ging wieder ans Fenster. Vor dem schwarzen Nachthimmel verschmolz die Spitze des Bibliotheksturms mit der Dunkelheit, bis seine Konturen verschwanden. Es sah aus, als würde der Turm in den Himmel hineinführen und sich über das gesamte Firmament ausdehnen, bedrohlich und unendlich.
    »Wir können auf jeden Fall hierbleiben, bis die Bibliothek schließt.«
    »Dann ist sie aber … geschlossen, und wir kommen nicht mehr hinein«, sagte Lenia.
    »Tja«, meinte Nairod und legte eine Hand auf die Scheibe. »Das ist ein Problem, um das wir uns kümmern müssen.«
    ***
    Nairod beobachtete den dunklen Turm. Den Feind, der niedergebracht werden musste. Lenia ging in die Bibliothek, um in einer schwer einsehbaren Ecke im Erdgeschoss »aus Versehen« ein Fenster offen stehen zu lassen. Die letzten Schüler strömten nach den Abendstunden über das Gelände, und ein stärker werdender Sturm peitschte den Regen gegen die Scheiben vor Nairods Gesicht. Er verharrte in seiner Position, während Lenia einige Bücher auf- und irgendwann wieder zuschlug. Schließlich erloschen die Lichter des Bibliotheksturms erst in den oberen Stockwerken, dann auch

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