Magie der Schatten: Roman (German Edition)
endete.
»Das ist eine verdammte Sackgasse«, sagte er. Er drehte sich um, aber die Elfenwächter fluteten schon um die Ecke in den Gang.
»Aber nicht nur für uns, sondern auch für sie.« Ihre Hände vollführten die gleiche Geste wie vorhin im Klassenraum. »Komm hierher.«
Er tat es. Die Elfenwächter beleuchteten die Gasse mit ihrem silbrigen Schein. »Was soll das? Das nützt nichts, damit blockierst du ihnen den Weg zu uns, aber uns auch den Weg hier heraus.«
Sie blickte konzentriert nach vorn. »Du kannst doch klettern, oder? Du kommst über das Regal neben uns weg. Die Elfen werden dir nicht folgen.«
»Ja, aber …« Die Elfen walzten sich auf sie zu. Knappe zwei Meter vor Lenia stießen sie auf ein unsichtbares Hindernis und drückten sich gedankenlos mit ihren starren Gesichtern dagegen. »Ich lasse dich nicht hier.«
»Genau.« Lenia sah auf die weißsilbrige Masse, die gegen ihren Zauber anstürmte. »Du beeilst dich, dein Buch zu holen, und dann kommst du zurück.«
Nairod knurrte. Er suchte nach den richtigen Worten. Als er sie nicht fand, griff er nach dem ersten Regalbrett und begann, sich hochzuziehen. Das Regal wackelte gefährlich, und auf beiden Seiten purzelten Bücher heraus. Als er knapp unter der Decke auf dem Regal kniete, blickte er noch einmal nach unten. Die Elfen drängten als Masse gegen Lenias Zauber an, keiner beachtete ihn. Er sprang auf der anderen Seite vom Regal und rannte.
Als er die Treppe erreichte, spannte sich der zweite Schutzkreis erneut vor ihm auf. Vier Gesten, und die Knoten brachen zusammen. Eine fünfte, kraftlose, und auch der Stern im Mittelpunkt verschwand.
Atemlos hetzte er die Treppe hinab.
Das Licht in der Unteren Bibliothek war so sparsam wie das der Laternen der Stadt. Die Schatten waren dunkel, und statt von wirklicher Helligkeit beleuchtet waren die Dinge von einem Grauschleier bedeckt. Nairod bewegte sich durch dicke Schwaden aus Staub, die im schwachen Lichtschein an Nebel erinnerten. Regale bildeten einen Gang um ihn, dessen Ende sich im Halbdunkel verlor. Aus den Regalen hingen die Fetzen von zerfledderten Einbänden herab. Ein metallenes A hing an einem unsichtbaren Faden in der Luft und markierte wahrscheinlich den Bereich für die Autoren, deren Namen mit selbigem Buchstaben begannen. Fast außer Sichtweite schwebte ein B .
Nairod rannte los. Irgendwo musste der Gang ja enden.
Bald hustete und keuchte er vor Anstrengung, und die aus Staubteilchen bestehende Luft ließ ihn niesen. Mit jedem weiteren Regal, das in Sicht kam, sank sein Herz. Immer wieder blickte er nach oben, als könnte er durch die Decke hindurch irgendwo Lenia ausmachen.
Schließlich blieb er stehen. Noch immer war das Ende des Gangs nicht in Sicht. Er war an so vielen Büchern vorbeigelaufen, wie es vielleicht oben in der halben Bibliothek gab. In dieser Menge konnte er unmöglich nach einem einzelnen Buch suchen, dessen Autor er nicht kannte. Es konnte überall stehen. Vielleicht nannte sich der Glasknochenmann Aarim, und das Buch stand direkt am Eingang, vielleicht hieß der Mann Zelos, und es stand am ungewissen Ende des dunklen Tunnels. Nairod sah wieder nach oben zu Lenia, obwohl er sicher längst weit von ihr entfernt war.
Er trat gegen den Fuß eines Regals. Staub stob auf, und ein Buch polterte ihm aus einem Fach entgegen. Er fing es gerade noch rechtzeitig auf. Der Wälzer lag in seinen Armen: Einführung in die Magie. Eine ältere Ausgabe des Buchs, das Lenia ihm geliehen hatte.
Es durchfuhr ihn wie ein Blitz.
Der Magier, der dieses Buch verfasst hatte, hieß Wallon . Sein Buch konnte unmöglich so weit vorn stehen. Das metallene E hing einige Meter weiter.
Nairod ließ das Buch fallen und griff in das Regal. Eidetische Sammlung. Das nächste Buch: Elegien – Macht der Lieder. Dann: Eis- und Feuermagie, eine vergleichende Betrachtung.
Er zog die Bücher der Reihe nach heraus. Aufgeschlagen stürzten sie auf den Boden. E . Sie begannen alle mit E . Die Titel, nicht die Autorennamen. Hier unten hatte jemand die Ordnung umgekehrt. Das hieß …
Eikyuuno . Es musste hier sein, ganz in der Nähe.
Nairods Blick raste die Regale auf und ab, auf der Suche nach seinem Buch. Er zog Bände heraus und hielt die freigewordene Lücke mit den Händen auf, um hineinblicken zu können. Aber dahinter war nichts. Keine zweite, versteckte Reihe. Er hatte schon das ganze Regal durch, das die Anfangsbuchstaben Eik beherbergte. Jemand konnte das Buch verstellt haben. Also
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