Magie der Schatten: Roman (German Edition)
des Gardehauptmanns, und tatsächlich habe ich noch einiges mit meinem Kopf vor.«
»Dann werde ich nicht sterben.«
Brakas lachte leise. »Was wollt Ihr ihm beweisen, Eurem teuren Herrn Vater?«
Lavar biss die Zähne zusammen. »Nichts. Ich tue das für mich selbst.«
»Ich habe schon Männer gesehen, die sich geschickter selbst belügen.« Brakas lächelte. »Das hier ist keine Mission für Euch. Wir gehen, um zu töten, damit wir selbst leben dürfen. Das hat nichts mit dem zu tun, was Ihr wollt.«
»Hast du auch in der Armee jeden Mann nach seinen Gründen befragt, wieso er deiner Truppe beigetreten ist?«
»Wenn es ein Kaisersohn gewesen wäre, hätte ich es getan.« Er wurde ernst. »Unsere Wege unterscheiden sich, Prinz.«
»Ich lasse dich …« Er griff an seine Schwertscheide.
»Töten?«, fragte Brakas. »Euer Vater sähe das ungern, glaube ich. Und Zeugen gäbe es ja genug.« Er strich einem der Flammenbeller über den Rücken. »Und die hier kann ich nicht länger zurückhalten, wenn ich tot bin.«
»Du weißt nicht, um was es für mich geht. Mein Vater lässt einen Jungen aus den südlichen Königreichen in den Palast kommen, weil er meiner überdrüssig ist.«
»Dieser Junge soll Euch ersetzen als seinen Sohn? Glaubt Ihr das wirklich?«
Lavar zog sein Schwert. Stille legte sich über den Platz. Die Kämpfenden ließen die Waffen ruhen, und die Schmiede hielten in ihrer Arbeit inne.
»Du bist ein Söldner. Es ist, wie Vater sagt. Von Blut und Tod verstehst du etwas.« Er richtete die Schwertspitze sehr langsam auf Brakas’ Hals. »Aber von nichts anderem.«
Brakas legte eine Hand um die Klinge. Ein einzelner Blutstropfen rann die Schneide herab. »Ja. Das ist meine Welt. Bleibt in Eurer, Prinz.«
Ein schwaches Glühen entstand, das Eisen zischte, und zwischen Brakas’ Fingern quoll geschmolzenes Metall hervor. Er ließ die Klinge langsam los.
Lavar starrte auf die Waffe. Die vordere Hälfte hatte sich in ein Stück Butter verwandelt, das in der Sonne schmolz.
Er ließ die Waffe fallen und musterte Brakas. »Das wirst du mir bezahlen. Glaub mir.«
Dann ging er davon und hielt die Tränen so lange zurück, bis er außer Sichtweite der Männer war.
Kapitel 10:
EIN SCHATTEN
»Was machst du da oben?«, fragte Lenia.
Nairod saß auf dem Stadttor, einem kaum mehr als drei Meter hohen Torbogen aus weißem Gestein. Die Beine ließ er herabbaumeln, und direkt unter seinen Füßen zogen die Schüler zur Akademie. Nur Lenia hielt inne und sah hoch zu ihm.
»Ich will dir eigentlich nur Lebewohl sagen.« Seine Worte gingen in dem allgemeinen Gemurmel der Schüler fast unter.
»Komm runter«, rief Lenia ihm zu. »Was hast du vor?«
»Komm du doch hoch.« Er zeigte auf eine Stelle im Mauerwerk mit Fugen und losen Steinen.
Lenia machte ein entrüstetes Gesicht und verließ den Strom der jungen Männer und Frauen in der Uniform der Akademie. Mit leidlichem Geschick erkletterte sie die Mauer. Nairod nahm ihre Hand und zog sie zu sich. Sie blieb neben dem Bogen auf dem flachen Mauerwerk sitzen. »Nun? Wir kommen beide zu spät … Gut, du vielleicht nicht, wenn du sowieso vorhattest, gar nicht zu kommen.« Unter ihnen ebbte die Menschenflut ab. Nur noch einige Nachzügler rannten mit halb zugeknöpften Jacken den anderen nach. »Was hast du vor? Was hast du gestern Abend überhaupt entdeckt? Du hattest es ziemlich eilig, von der Bibliothek wegzukommen.«
»Ich kann dir alles erzählen, aber dann kommst du zu spät.« Er hob einen Mundwinkel.
Sie sah den Schülern nach, die über den Gebirgspfad zum Akademiegebäude strömten. »Erzähl.«
Nairod zog die Seite aus der Tasche, die er in der verbotenen Bibliothek gefunden hatte. Als er sie auseinanderfaltete, bröckelte das Pergament wie Stein. Er zeigte zuerst die beschriebene Buchseite, dann die Rückseite mit der daraufgekritzelten Notiz. »Eine Botschaft, aber mit Sicherheit nicht vom Autor des Buchs. Sondern von einem gewissen Ariman, der die andere Hälfte meines Buchs besitzt.«
Lenia wollte ihm die Seite vorsichtig abnehmen, aber er hielt sie fest. Sie beugte sich zu ihm herüber und las. »Hm, er wohnt in Weißhügel. Und er bittet alle, die ihm Hinweise auf den Verbleib der ersten Hälfte geben können, sich bei ihm zu melden.«
»Du kennst nicht zufällig jemanden, der sich Ariman nennt?«, fragte er.
»Den Namen habe ich schon einmal gehört, irgendwo. Aber es sagt ja keiner, dass es nicht mehrere Arimans auf unserem Kontinent gibt
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