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Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Magie der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lisowsky
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dunkel.
    ***
    Jemand rüttelte ihn an der Schulter. Das bärtige Gesicht des Händlers war über ihm, sonst nur Finsternis. »Wir sind angekommen. Für heute.«
    »Schön, dann kann ich ja weiterschlafen.« Nairod schob den Arm an seiner Schulter weg und drehte sich herum.
    »Nein, Junge. Wer kostenlos mitfahren darf, der kann auch mal Wache stehen.«
    Er stöhnte, setzte sich auf und rieb sich die verklebten Augen. »Wer will uns denn in den Bergen überfallen?«, fragte er.
    »Sag du es mir, wenn du eine Runde gemacht hast. Ich hab da etwas gehört, ein bisschen talwärts von hier.«
    Er gähnte und krabbelte schlaftrunken an dem Mann vorbei von der Ladefläche herunter.
    Die ausgespannten Pferde steckten ihre Schnauzen in Futtereimer und mahlten mit ihren Kiefern. Dicht daneben brannte ein kleines Feuer und beleuchtete die karge Umgebung. Felsschollen überlappten einander, nur aus einzelnen Spalten wuchsen Büsche, die zu dieser Jahreszeit jedoch nur noch ein Geflecht blattloser Zweige waren.
    Der Händler stieg vom Wagen und machte es sich auf einem Schlafsack neben dem Feuer bequem. »Könnte eine Felsenkatze gewesen sein.«
    »Felsenkatzen haben ihren Namen nicht daher, dass sie in felsigen Gegenden hausen. Sie selbst bestehen aus Felsgestein, deshalb heißen sie so.«
    Der Mann knabberte an einem Brotkanten. »Der Zauberer hat seine Hausaufgaben gemacht. Wenn du so gut Bescheid weißt, dann hol jetzt deinen Zauberstab raus und geh die Gegend ab.«
    Nairod presste die Lippen aufeinander. »Kein Zauberer benutzt einen Zauberstab. Die sind für die Allerjüngsten und sollen sie nur in ihrem Glauben an die Magie bestärken. Nach dem ersten Jahr nimmt man sie ihnen ab, zeigt ihnen, dass sie auch ohne Stab zaubern können, und erklärt ihnen, dass der Zauberstab keinerlei praktischen Nutzen hatte.« Er schüttelte den Kopf und stieg zurück in den Wagen, um an seinen Rucksack zu kommen. Daraus zog er einen metallenen Knüppel. » Das hier ist mein Zauberstab«, sagte er und klopfte mit dem Kopf des Knüppels auf seine Handfläche. »Bis gleich.«
    Er hatte bei einem der Schmiede Felsmunds nach einer günstigen Waffe gefragt, aber mit seiner geringen Barschaft waren selbst die simpelsten Gerätschaften unerschwinglich gewesen. Also hatte er den Schmied kostenlos um das Ergebnis einer missglückten Übung seiner Lehrlinge erleichtert. Wenn man es sich wohlwollend besah, hätte es einmal eine Axt werden können. Vielleicht auch ein Schwert. Aber eigentlich war es nur ein Stück Eisen, das in einem Kopf mit vielen Kanten endete. In jedem Fall hatte er für das Monstrum sein Kochgeschirr daheimgelassen.
    Nairod schulterte die schwere Waffe und verließ den Schein des Lagerfeuers.
    Er ging zuerst die obere Straße ab, wo die Büsche etwas dichter standen. In den kahlen Zweiggerippen stocherte er etwas herum, dann ging er in einem Bogen um das Lager. Er blieb immer so weit auf Distanz, dass der Händler glauben konnte, er mache wirklich eine weite Runde.
    Unten gab es wiederum nackten Stein und nackte Büsche. Wo die Felsen aufragten, balancierte er von Spitze zu Spitze, um sich die Zeit zu vertreiben. Er kam an einem weiteren Busch vorbei. In den dornigen Zweigen hing etwas. Er hielt an und stolperte beinahe durch das Gewicht auf seinen Schultern. Der Fetzen einer Uniformjacke bewegte sich leicht im Wind.
    Ein flaues Gefühl breitete sich in seinem Magen aus. Er wuchtete seine Keule von der Schulter, hielt sie beidhändig im Anschlag und drehte sich nach allen Seiten. »Komm raus, Kätzchen«, flüsterte er, und, etwas leiser: »Vielleicht aber auch besser nicht …«
    Nichts geschah.
    Er beugte sich zu dem Jackenfetzen herab. Der gleiche Stoff und die gleichen Knöpfe wie bei den Uniformjacken der Akademie. Aber wenn es hier wirklich eine Felsenkatze gab, die Beute riss, dann war es eigentlich egal, wen sie vor ihm erwischt hatte.
    Er zog den Kleiderfetzen aus dem Gebüsch und sah nach oben, wo der Lagerfeuerschein schwach die Silhouette des Fuhrwerks nachzeichnete. Einige Meter über ihm am Hang bewegte sich etwas. Ein Wesen. Es näherte sich dem Wagen.
    Nairod duckte sich und schlich ihm nach, einige Meter abseits. Er versuchte, es zu überholen, ohne dass es ihn bemerkte. Unter seinen Füßen knackte ein Zweig, und ein Stein knirschte. Das Wesen blieb stehen, drehte sich um und kam auf ihn zu. Nur noch wenige Meter.
    Aus reinem Instinkt riss er die freie Hand hoch und leitete Magie hindurch. Nutzlos. Natürlich.

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