Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Magie der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lisowsky
Vom Netzwerk:
Zunge.
    »Du siehst nur das Schlechte in ihm, obwohl du ihn gar nicht kennst.« Zögerlich nahm sie jetzt auch ihr Besteck auf.
    »Ich ahne nur. Ich bin vorsichtig.« Er schlang das Brot herunter. Etwas so Gutes gab es in der Akademie-Mensa nie.
    »Du ahnst nur … Ja, du gehst die ganze Zeit nur einer Ahnung nach.«
    »Kann sein.«
    »Ist so.«
    »Und?«, fragte Nairod mit vollem Mund. »Worüber willst du jetzt schon wieder diskutieren?«
    Eine Weile aßen sie schweigend. Nairod legte Messer und Gabel auf seinem leeren Teller ab und hielt sich den vollen Bauch mit beiden Händen.
    Lenia stocherte noch immer in ihrem Fladenbrot herum. »Ich will gar nicht diskutieren, ich will … ich will kurz allein sein.«
    Sie stand auf und nahm ihren Rucksack.
    Er zuckte mit den Schultern.
    Sie verschwand in der Dunkelheit und unter den vielen Menschen, die selbst so spät noch unterwegs waren. Nairod nahm ihr Fladenbrot und füllte sich den Magen, bis er kaum noch aufrecht sitzen konnte. Von seinem Platz aus betrachtete er das einsame Haus am Hügelhang. Jetzt, da sich die Dunkelheit langsam auf die Stadt legte, erschienen allerorts Lichter hinter den Fenstern, auch im Anwesen des Goldnarren. Aber an dem Gebäude war etwas anders. Mit all den erleuchteten Fenstern wirkte es nicht mehr wie ein Gebäude, sondern wie ein zum Leben erwachendes, gewaltiges Tier. Er konnte dieses Tier nicht einfach erlegen. Nicht mit all den Wächtern drum herum. Er musste einen anderen Weg finden.
    Aber es gab zuvor noch etwas, das er tun musste.
    ***
    Im Innern des Geschäfts lag ein unverkennbar süßlicher Geruch in der Luft: Honig. Jedem Kunden musste das Wasser im Munde zusammenlaufen, dachte Nairod. Die Regale waren voll mit Figuren, die einem Steinmetz zu Ehren gereicht hätten. Schlangen, die sich um Steine ringelten, Engel mit gespreizten Flügeln, Ringkämpfer mit gestählten Muskeln … Nur dass all das aus goldgelbem Honigkuchen bestand.
    Hinter der Theke grub eine mollige Verkäuferin mit einer kleinen Schaufel in randvollen Metallladen herum. Es gab kleine Halbmonde mit einem Überzug aus Mandelstücken, handtellergroße Kuchen, die mit saftigen Rosinen gespickt waren, dann längliche Stücke mit einer Schicht aus Zimt darauf …
    Die Verkäuferin ließ kleine braune und goldene Gebäckkugeln in einen Beutel rollen und überreichte sie einem Jungen, der mit großen Augen auf seine Süßigkeiten wartete. Mit dem Beutel in der Hand hüpfte er aus dem Geschäft.
    Nairod trat an seinen Platz. »Guten Abend.«
    »Was darf es sein?« Die Verkäuferin sah ihn an, und er erstarrte.
    Ihr Gesicht wirkte alt und verbraucht, durchzogen von Runzeln und tiefen Falten. Dabei schätzte er ihr Alter auf höchstens dreißig Jahre. Unter ihren Augen lagen tiefe Ringe, und die Mundwinkel hingen herab.
    »Es soll … ein Geschenk sein«, sagte er.
    »Ein Geschenk«, wiederholte die Frau tonlos. »Für wen denn?«
    »Ein Mädchen.«
    »Ein Mädchen«, wiederholte sie. »So, so.«
    »Nein«, sagte er sofort. »Nicht so ein Mädchen. Gebt mir einfach irgendetwas, stellt es selbst zusammen.«
    Sie lächelte nicht. »Ich habe schon verstanden.«
    Habt Ihr nicht , wollte er beinahe sagen.
    Im Raum gab es noch etwas anderes als den Geruch nach süßem Gebäck und Honig. Etwas, das über allem lag wie ein Schleier, ganz am Rande des Bewusstseins.
    Er sah der Frau zu, wie sie Pralinenkügelchen in einen weißen Stoffbeutel packte. Ja. Er spürte es: Magie. Sie lag auf den Regalen, umgab die Frau und strahlte aus von der Tür zur Küche hinter ihr. War sie eine Zauberin? Formte sie die kühnen Details an ihren Honigkuchen mit ihrer Magie und verhinderte so, dass sie schnell verkamen?
    Die Zauberkraft war allgegenwärtig. Wo genau sie ihren Ursprung hatte, konnte er jedoch nicht bestimmen.
    »Viel Spaß damit.« Die Frau händigte ihm das Pralinensäckchen aus, und das Wort Spaß klang aus ihrem traurigen Mund wie ein schlechter Scherz.
    Nairod zahlte und ging. Die Aura der Magie begleitete ihn bis nach draußen.
    Neben dem Gasthaus traf er Lenia wieder. Sie lehnte mit überkreuzten Armen an der Seitenwand. »Du hättest zumindest warten können. Ich bin die halbe Hauptstraße abgelaufen, um nach dir zu suchen.«
    Nairod kämpfte sich durch die Passanten zu ihr vor. »Tut mir leid. Ich musste noch etwas besorgen.« Er hielt ihr das Säckchen hin. »Es … na ja, es ist für dich.«
    »Für mich?«, fragte sie. Ihre Augen weiteten sich.
    Sie nahm den Beutel an

Weitere Kostenlose Bücher