Magie der Sehnsucht - Roman
Ich verstehe nicht, warum Sie Julian mit so hervorragenden Gaben beschenkt und ihn dann gerade wegen seines starken, eigenständigen Wesens ins Unglück gestürzt haben. Statt auf ihn zu warten oder ihm Geschenke zu schicken – hätten Sie nicht zu ihm gehen können?«
Indigniert hob Aphrodite die Brauen. »Ich bin die Liebesgöttin. Hätte ich mich vor Julians Füße werfen sollen? Begreifen Sie nicht, wie peinlich das für mich ist? Mein eigener Sohn hasst mich!«
»Ach, das ist Ihnen peinlich? Die ganze Welt liebt Sie. Und Julian hatte niemanden.«
Aphrodite trat einen Schritt zurück. »Halten Sie sich
bloß von ihm fern! Ich warne Sie! Niemals werde ich ihn mit Ihnen teilen.«
»Warum haben Sie Penelope nicht gewarnt?«
»Weil er sie nicht liebte.«
Grace blinzelte entgeistert. »Heißt das …?«
Aber da war Aphrodite bereits verschwunden.
»Moment mal!«, schrie Grace die Zimmerdecke an. »Sie können nicht mitten in einem Gespräch abhauen …«
»Grace?«
Verwirrt zuckte sie zusammen. Als Beths Stimme erklang, fuhr sie herum und sah ihre Kollegin in der Tür stehen.
»Mit wem redest du?«
Da es nicht ratsam gewesen wäre, die Wahrheit zu erzählen, log Grace: »Mit mir selber.«
»Schreist du dich oft an?«, fragte Beth skeptisch.
»Manchmal.«
Beth seufzte. »Vielleicht solltest du einen Termin mit mir vereinbaren«, schlug sie vor und ging davon.
Daran verschwendete Grace keinen Gedanken. Hastig packte sie ihre Sachen zusammen. Nun wollte sie möglichst schnell nach Hause fahren – zu Julian.
Sobald sie die Tür aufsperrte, wusste sie, dass etwas nicht stimmte. Julian stand nicht in der Diele, um sie zu begrüßen.
»Julian?«
»Im Schlafzimmer.«
Sie warf den Schlüsselbund und die Post auf das Wandtischchen. Dann rannte sie nach oben und nahm immer zwei Stufen auf einmal. »Du wirst nicht glauben, wer …«
Abrupt verstummte sie, als sie Julian sah, mit einer Handschelle an einen Bettpfosten gefesselt. Er lag in der Mitte der Matratze, Schweißtropfen glänzten auf seiner Stirn.
»Was soll das?«, flüsterte sie schockiert.
»Ich kann nicht mehr dagegen ankämpfen, Grace«, keuchte er.
»Das musst du …«
Gepeinigt schüttelte er den Kopf. »Würdest du meine andere Hand fesseln? Das schaffe ich nicht.«
»Julian …«
Mit bitterem, heiserem Gelächter unterbrach er sie. »Welch eine Ironie! Ich flehe dich an, mich zu fesseln. Und ein paar andere Herrinnen taten es von sich aus und mit Freuden, nur wenige Minuten, nachdem ich ihrem Ruf gefolgt war.« Durchdringend schaute er in ihre Augen. »Tu es, Grace! Wenn ich dich verletzte, könnte ich meine erbärmliche Existenz nicht mehr ertragen.«
Langsam ging sie zu ihm. Als sie nahe genug herangekommen war, berührte seine freie Hand ihre Wange. Dann zog er sie an sich und küsste sie so leidenschaftlich, dass sie glaubte, ihre Sinne würden schwinden.
Es war ein Kuss voller Sehnsucht – und ein Kuss, der ein Versprechen ausdrückte. »Bitte, tu es«, flüsterte er an ihren Lippen. Erst nachdem die silberne Handschelle klirrend eingerastet war, entspannte er sich. Sie hatte nicht bemerkt, wie unruhig er in dieser letzten Woche gewesen war. Nun sank sein Kopf in die Kissen, und er atmete etwas freier. Grace strich über seine schweißnasse Stirn. »Oh Gott …« Seine glühend heiße Haut schien ihre Finger zu verbrennen. »Kann ich dir irgendwie helfen?«
»Nein. Aber ich danke dir für das Angebot.«
Sie ging zur Kommode und begann, ihre Bluse aufzuknöpfen.
»Bitte, tu das nicht vor meinen Augen«, flehte er. Verzweifelt senkte er die Lider. »Wenn ich deine Brüste sehe, fürchte ich …«
»Verzeih mir.« Von wachsendem Unbehagen erfüllt, ging sie ins Bad und zog sich um. Dann tränkte sie einen Waschlappen mit kaltem Wasser, eilte ins Schlafzimmer zurück und kühlte Julians heiße Stirn. »Du hast Fieber.«
»Ja, es kommt mir so vor, als würde ich auf schwelenden Kohlen liegen.«
Behutsam ließ sie den Lappen über seine Brust gleiten, und er stöhnte leise.
»Du hast mir noch gar nicht erzählt, was du heute erlebt hast.«
Innige Liebe raubte ihr den Atem. Danach erkundigte er sich jeden Tag. Und jeden Tag freute sie sich auf die Heimkehr, auf das Wiedersehen mit Julian.
Wie würden ihre Abende verlaufen, wenn er nicht mehr bei ihr wohnte? Nein, das würde sie sich jetzt nicht vorstellen, und so konzentrierte sie sich darauf, sein Martyrium zu erleichtern.
»Da gibt es nicht viel zu erzählen.« Da er
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