Magie der Sehnsucht - Roman
Fingern berührte Athene seine Wange. »Hoffentlich triffst du einen klugen Entschluss«, wisperte sie und löste sich in Luft auf.
»Mit wem redest du, Julian?«
Verstört blinzelte er und starrte Grace an, die in der Tür stand. »Nur mit mir selbst.«
»Oh …« Ohne weitere Fragen zu stellen, akzeptierte sie die Lüge. »Wollen wir heute ins French Quarter fahren und das Aquarium besuchen?«
»Ja, eine gute Idee«, stimmte er zu, verließ das Bad und ging ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen.
Die Stirn gerunzelt, schaute sie ihm nach.
Während er in seine Jeans schlüpfte, streifte sein Blick die Fotos, die auf dem Toilettentisch standen. So glücklich
hatte Grace in ihrer Kindheit ausgesehen. So unbeschwert. Am besten gefiel ihm das Bild, auf dem die Mutter schützend ihre Arme um Grace geschlungen hatte und beide fröhlich lachten.
In diesem Moment erkannte er die Wahrheit. Obwohl es sein innigster Wunsch war – er konnte nicht bei Grace bleiben. Das hatte sie am Anfang seiner Inkarnation selbst gesagt. Sie führte ihr eigenes Leben. Darin war kein Platz für ihn.
Nein, sie brauchte keinen Mann, der die unwillkommene Aufmerksamkeit der Götter auf sie lenken würde.
Deshalb würde er den Fluch besiegen und danach Athenes Angebot annehmen.
Hierher gehörte er nicht, sondern ins alte Makedonien. Allein.
10
IRGENDETWAS STIMMTE NICHT mit Julian. Das spürte Grace, als sie zum French Quarter fuhren. Bewegungslos saß er neben ihr und starrte durch die Windschutzscheibe. Ein paar Mal versuchte sie ein Gespräch zu beginnen. Aber er gab ihr nur einsilbige Antworten. Sie nahm an, die Ereignisse im Badezimmer hätten ihn zutiefst deprimiert. Natürlich musste es einen Mann bedrücken, wenn er den letzten Rest seiner Selbstbeherrschung verlor.
»Wie heiß es heute ist!«, bemerkte sie, als sie auf dem Parkplatz aus dem Auto stiegen.
Mit der Sonnenbrille, die sie ihm gekauft hatte, sah er sehr attraktiv aus. Auf seiner Stirn glänzten Schweißperlen.
»Ist es dir zu heiß in der Stadt?«, fragte sie. Vielleicht fühlte er sich nicht wohl in seinen Jeans und dem Strickhemd.
»Davon werde ich nicht sterben, falls du das meinst«, erwiderte er sarkastisch.
»Oh, sind wir schlecht gelaunt?«
»Tut mir leid, ich lasse meinen Zorn an dir aus, obwohl du nicht schuld daran bist.«
»Schon gut, ich bin’s gewöhnt, den Fußabstreifer zu spielen. Damit verdiene ich sogar mein Geld.«
Weil die Sonnenbrille seine Augen verbarg, konnte sie nicht feststellen, ob er ihren Scherz amüsant fand.
»Laden deine Patienten ihren Seelenmüll bei dir ab?«
Grace nickte. »Manchmal zerrt das wirklich an meinen
Nerven. Wenn mich die Frauen anschreien, ist es nicht so schlimm. Aber die Männer …«
»Haben sie dich jemals verletzt?« Die Fürsorge, die in seiner Stimme mitschwang, machte sie glücklich. Jahrelang hatte sie einen Beschützer vermisst.
»Nein, noch nie«, entgegnete sie und hoffte, dabei würde es bleiben. Aber seit Rodney Carmichaels Anruf fürchtete sie, er könnte die Ausnahme von der Regel bilden. Mach dich nicht lächerlich. Nur weil er ein bisschen unheimlich ist, muss er dir nicht gefährlich werden.
»Du solltest einen anderen Beruf ergreifen«, sagte Julian in energischem Ton.
»Ja, vielleicht«, antwortete sie, obwohl sie nicht beabsichtigte, seinen Rat zu befolgen. »Wohin gehen wir zuerst? «
Nonchalant zuckte er die Achseln. »Das ist mir egal.«
»Dann besichtigen wir das Aquarium«, entschied sie, nahm seinen Arm und führte ihn über den Parkplatz zum Moonwalk. Im Aquarium angekommen, bezahlte sie die Eintrittskarten.
Unterwegs hatte Julian beharrlich geschwiegen, und er sprach erst wieder, als sie durch den Wassertunnel wanderten, der verschiedene Meeresgeschöpfe in ihrer natürlichen Umgebung präsentierte. »Unglaublich«, murmelte er und bewunderte einen Stachelrochen, der über seinen Kopf hinwegschwamm. Seine glänzenden Augen erinnerten Grace an ein Kind.
Plötzlich ertönte ihr Piepser, und sie fluchte leise, als sie die Nummer sah. Wer rief an einem Samstag aus ihrer Praxis an? Seltsam … Sie holte ihr Handy hervor und wählte die Nummer.
»Hi, Grace«, meldete sich Beth. »Ich bin in meinem Büro. Hier wurde letzte Nacht eingebrochen.«
»Großer Gott, wer macht denn so was?« Grace sah Julians neugierigen Blick und lächelte beruhigend, während sie Beth Livingstone zuhörte, der Psychiaterin, die sich mit Luanne und ihr selbst die Büroräume teilte.
»Keine Ahnung.
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