Magie des Windes - Feehan, C: Magie des Windes - Safe Harbor (5 - Hannah)
bin am Leben. Es wird alles wieder gut werden.«
Sie kniete sich hin und lehnte ihre Stirn an seine. Sie war nicht sicher, ob sie die Wahrheit sagte. Sie hätte noch nicht einmal mit Sicherheit sagen können, ob sie den Angriff überlebt hatte. Sie war am Leben, aber sie war von Grauen erfüllt und musste mit der Erkenntnis fertig werden, dass jemand sie genügend hasste, um sie zerstören zu wollen. Sie war nicht so stark wie ihre Schwestern. Sie hielt sich am liebsten im Schutze ihres Elternhauses und der Kleinstadt auf, in der sie aufgewachsen war. Hier war ihr alles vertraut. In Sea Haven hatte sie sich immer sicher gefühlt. Das war jetzt vorbei. Derjenige, der sie hasste, war hier in Sea Haven und sie durfte nicht zulassen, dass ihren Schwestern etwas zustieß – oder Jonas. Sie musste von hier fortgehen und es war unumgänglich, dass sie allein fortging.
Jonas schirmte sie normalerweise gegen die Intensität seiner Gefühle ab, aber im Moment war er außer sich. Sie nahm in ihm dieselbe Verzweiflung wahr wie damals, als er versucht
hatte, seine Mutter festzuhalten, versucht hatte, sie zu retten und ihr die entsetzlichen Schmerzen zu nehmen. Jeanette Harringtons Schmerzen waren, ebenso wie Hannahs Schmerzen, sowohl physischer als auch psychischer Natur gewesen. Sie hatte nicht sterben und ihren Sohn mutterseelenallein zurücklassen wollen. Hannah wusste nicht, wie sie weiterleben sollte. Jonas fühlte sich für sie verantwortlich – so war es schon immer gewesen – und im Moment vermischte sich all das mit Kummer und Wut.
In dem Augenblick begriff sie mit erstaunlicher Klarheit, dass ihre eigene Unsicherheit ihr nicht wichtig war. Sie fühlte den Schauer, der Jonas überlief, und sie musste eine Möglichkeit finden, ihm den Schmerz zu nehmen. Sie schnappte Bilder von dem Angriff auf sie auf, die vor seinem geistigen Auge vorüberzogen. Den verzweifelten Wunsch, zu ihr zu gelangen, die Qualen, die der Gedanke, sie zu verlieren, bei ihm auslöste. Die Wut auf sich selbst, weil er nicht bei ihr war, um sie zu beschützen. Sie fand weder Mitleid noch Entsetzen beim Anblick ihres verstümmelten Körpers und das war ein unerwartetes Geschenk. Aber die Liebe, die sie dort fand, war stark … intensiv … fast schon verzweifelt … und sie erstickte sie. Wie konnte sie ihn verlassen, wenn sie dasselbe für ihn empfand?
»Ich bin wütend auf dich, Hannah«, flüsterte er und schmiegte sein Gesicht an ihren warmen Hals. »Ich bin wirklich wütend auf dich.«
»Ich weiß.« Sie wiegte seinen Kopf in ihren Armen und hielt ihn eng an sich geschmiegt. »Aber das macht nichts. Wir werden es überstehen. Ich weiß zwar nicht wie, aber wir werden es schaffen.« Sie war dankbar, dass es keine Zeugen für seine Panik gab. Er war ein starker und stolzer Mann und für ihn wäre es demütigend gewesen, vor den Augen aller zu zerbrechen. Insbesondere vor ihren Schwestern, die er glaubte ständig beschützen zu müssen.
»Du musst auf mich hören, Hannah, wenn es um deine
Sicherheit geht. Sonst gehe ich kaputt. Ich halte das nicht aus. Die Angst ist lähmend und frustrierend und ich kann nicht einmal mehr atmen, wenn ich mir dich in solchen Situationen vorstelle. Wenigstens das musst du für mich tun. Gesteh mir dieses Wenige zu.«
Sie drückte Küsse auf seine Stirn. »Ich habe es nicht absichtlich getan, Jonas. Es war kein Trotz. Ich habe keine Bedrohung durch Rudy wahrgenommen, nur seine Einsamkeit. Ich weiß, was das heißt. Manchmal fühle ich mich sogar im Kreise meiner Schwestern einsam.«
»Weil du glaubst, niemand kennt dein wahres Ich«, sagte er. »Aber ich kenne es. Ich sehe dich so, Hannah, wie du wirklich bist. Du bist nie allein gewesen.« Aber sie hatte ihn nicht gesehen. Sie konnte ihn nicht lesen und hatte nicht hinter seine Frustration und seine Wut geschaut. Er hatte es ihr erspart, seine wahren Gefühle zu sehen. Sie hatte mit der Belastung durch Menschen in ihrer nächsten Umgebung genug zu tun gehabt. Da hatte er nicht noch mehr zu dieser Last beitragen wollen. Am Ende hätte er seine Chancen bei ihr beinah verspielt gehabt.
»Hannah.« Seine Arme hielten sie noch fester. »Rudy Venturi ist psychisch sehr labil. Er hat dir leidgetan. Du konntest ihn nicht als Bedrohung wahrnehmen, weil er das, was er tut, nicht für falsch hält. Wenn er beschließen würde, dass er dich töten muss, um zu verhindern, dass böse Männer dir etwas antun können, dann würde er darin nichts Falsches sehen. Er würde
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