Magie des Windes - Feehan, C: Magie des Windes - Safe Harbor (5 - Hannah)
lassen. Wenn er sie vom Balkon werfen wollte, weil sie die Wahrheit sagte, dann sollte er das ruhig tun. Sie würde Joley nicht verraten, für nichts auf der
ganzen Welt. »Ich will dich nicht in der Nähe meiner Schwester sehen. Ganz gleich, welches Spiel du spielst, du kannst dich darauf verlassen, dass wir Joley mit unserem Leben verteidigen werden, nicht nur ich, sondern jede einzelne Drake, alle unsere Angehörigen, die heute am Leben sind, ob Männer oder Frauen, Kinder oder Erwachsene.« Das entsprach absolut der Wahrheit und sie ließ es ihn in ihren Augen sehen.
»Ich bin mit Gefahren durchaus vertraut, Miss Drake.«
Daran bestand kein Zweifel. Sie fühlte es in ihm, las es in seinen Erinnerungen, grauenhafte Dinge, Dinge, die in ihrer Welt unbegreiflich waren. Sie war mit liebevollen Eltern und engem Familienzusammenhalt aufgewachsen, und die Ortschaft, in der sie lebte, war eng zusammengeschweißt, der Umgang miteinander fürsorglich. Sein Leben hatte von frühester Kindheit an aus Gewalt bestanden.
Er jagte ihr Angst ein. Das war nicht ihre normale Panik ohne echten Anlass, sondern wahre Angst, die bis in die Knochen reichte. Sie wusste, dass ihre Schwester Männer magnetisch anzog. Joley war wild und unberechenbar und verströmte auf der Bühne aus jeder Pore Sex. Hannah warf einen Blick auf Iljas Boss. Sergej Nikitin hatte Joley über drei Kontinente hinweg verfolgt. War es das, worauf Ilja aus war? Würde er seine paranormalen Gaben dafür einsetzen, Joley in Nikitins schmutzige Hände fallen zu lassen?
»Lass mich los«, verlangte sie. Die Hitze, die seiner Handfläche entströmte, war mittlerweile sengend und sie konnte sie in ihrem Blut, in ihren Knochen und in ihrem Gewebe spüren, aber sie fühlte sich besser und ihr Kopf war wieder klar. Es bestand kein Zweifel daran, dass sie mit dem Champagner eine Droge aufgenommen hatte. Nach all den Vorträgen, die ihr Sarah als Sicherheitsexpertin gehalten hatte, kam sie sich dumm vor. Sie trank nie, sie war immer vorsichtig, und ausgerechnet jetzt, wo sie dringend einen klaren Kopf brauchte, war Ilja Prakenskij nicht nur Zeuge ihrer Dummheit gewesen,
sondern hatte sie zu allem Überfluss auch noch vor den Folgen gerettet.
»Ich lasse dich los, wenn du keine Dummheiten machst. Wie zum Beispiel die, den Wind zu rufen.«
Hannah warf ihren Kopf mit funkelnden Augen zurück und sandte ihm einen regelrechten Funkenregen entgegen. Sie verlor nie die Selbstbeherrschung – es sei denn, Jonas provozierte sie. Wenn man mächtige Gaben besaß, war es nicht gut, aufbrausend zu sein, aber der Leibwächter hatte alles verdient, was jetzt auf ihn zukommen würde.
Winzige Flämmchen sprangen aus ihren Fingerspitzen und liefen über ihre Hände zu den Handgelenken, die er wie in einem Schraubstock festhielt. Er riss seine Hände zurück, als die Flammen auf ihn übersprangen. Sie waren heiß genug, um ihn abzuschrecken. Dann trat er einen Schritt zurück.
»Ein netter Partytrick. Den hättest du bei deinem Freund anwenden sollen.«
»Danke für deine Hilfe.«
Seine kalten Augen glitten über sie und sein Gesicht blieb ausdruckslos. »Ich kann sehen, wie dankbar du bist.«
»Ich bin dankbar. Aber nicht dumm.« Obwohl sie es gewesen war, als sie den Drink angenommen hatte. »Ich will nicht, dass du auch nur in Joleys Nähe kommst.«
» Weshalb machst du dir solche Sorgen?«
Sie konnte nichts in ihm lesen. Wenn sie ihn berührte oder dicht neben ihm stand, hätte sie in der Lage sein sollen, seine Gedanken zu lesen und seine Gefühle zu ergründen, aber er war wie eine leere Schiefertafel. Nicht einmal mehr die brutalen Erinnerungen voller Gewalt konnte sie sehen. Sie musterte sein Gesicht. Er sah gefährlich aus. Die Gefahr drückte sich aus in der Haltung seiner Schultern, in seinen flüssigen Bewegungen und den kalten Augen mit dem unglaublich direkten Blick.
» Weshalb solltest du dir Sorgen um Joley machen?« Ilja senkte seine Stimme, bis nur noch ein leises Flüstern geblieben
war, das keinesfalls weiter reichen konnte als bis an ihr Ohr. »Sie ist Bannsängerin, stimmt’s?«
Hannahs Herz machte einen Satz. Sie rang darum, eine gefasste Miene zu bewahren. Sie blinzelte kurz. Es fiel ihm auf. Ihm entging wirklich nichts. »Ich bin nicht sicher, was du meinst.« Es gab nur wenige Bannsänger auf Erden, aber diese wenigen waren nicht echt, keine legitimen Erben wie Joley. Sie konnte die Macht des einen perfekten Tons anrufen, der angeblich zur Erschaffung
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