Magie des Windes - Feehan, C: Magie des Windes - Safe Harbor (5 - Hannah)
wieder in die Nachrichten kommen. Wer weiß, wie ein krankhafter Geist denkt, Sarah«, erwiderte Damon und zog sie enger an sich. Er war selbst Irren zum Opfer gefallen und hatte dabei viele Narben und ein kaputtes
Bein davongetragen. »Es könnte Dutzende von Gründen geben, die in deren Augen vollkommen logisch sind. Jeder, der so etwas tut, ist ernsthaft gestört.«
Jonas wandte seinen Kopf wieder dem Fenster zu und blickte hinaus, ohne etwas zu sehen. Er verstand überhaupt nichts mehr. Jeder andere, aber doch nicht Hannah. Er hatte so viel Zeit darauf vergeudet zu warten, bis sie den ersten Schritt machte. Warum hatte er das getan? Er riss in jeder Situation die Kontrolle an sich, aber nicht bei ihr. Weil sie sich vor ihm fürchtete. Er unterdrückte ein Stöhnen. Das war der wahre Grund. Sie wollte es allen recht machen. Sie wollte, dass ihre Familie glücklich war, und sie gab ständig, ohne je etwas zu nehmen. Sie wollte auch, dass er glücklich war, aber nicht auf ihre Kosten. Er butterte sie unter. Und sie kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass sie es sich nicht leisten konnte, sich mit Haut und Haaren verschlingen zu lassen.
»Sie ist aufbrausend«, murmelte er vor sich hin.
Sarah sah ihn an. »Wer?«
»Hannah. Sie ist aufbrausend. Und wenn sie wütend ist, kann sie Verheerungen anrichten.«
»Und deshalb beschränkt sie sich meistens auf ärgerliche kleine Streiche, wenn sie jemandem etwas heimzahlen will. Sie lässt zum Beispiel deine Hüte durch die Gegend wehen.«
»Ich erdrücke sie, stimmt’s?«, fragte Jonas. Er kannte die Antwort. Er befahl ihr ständig, irgendetwas zu tun. Er bat selten um etwas. Verdammt noch mal, im Krankenhaus war er so verflucht gemein zu ihr gewesen – es war ein Wunder, dass sie nicht zur Waffe gegriffen und ihn erschossen hatte.
Sarah schüttelte den Kopf. »Ich weiß es ehrlich nicht. Ich fange an zu begreifen, dass ich Hannah nicht allzu gut kenne, Jonas. Ich habe es mir eingebildet, aber alles, was ich über sie zu wissen glaubte … also, jetzt denke ich, sie hat mir einfach nur das erzählt, wovon sie dachte, dass ich es hören will.«
»Sie ist so verflucht schön und klug. Sie ist mir geistig hoffnungslos
überlegen, da habe ich nicht die geringste Chance gegen sie.« Jonas fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. »Man sollte meinen, sie besäße genug Selbstvertrauen für zehn Leute. Sie sieht aus, wie sie aussieht. Und ihre Haltung drückt ständig aus: Rühr mich nicht an, bring meine Frisur nicht in Unordnung, ich bin dir ja so haushoch überlegen, dass du gleich wieder gehen kannst.«
»Sie ist so ungeheuer schüchtern, dass sie stottert, Jonas. Das ist nicht gerade etwas, was einer Frau Selbstvertrauen gibt.« Sie rieb ihre Wange an Damons Schulter. »Wir mussten ihr bei öffentlichen Auftritten immer helfen.«
Jonas ballte die Hände zu Fäusten. Das hätte ihnen doch etwas sagen sollen, und zwar überdeutlich. Wenn Hannah ohne die Hilfe ihrer Schwestern nicht in der Öffentlichkeit auftreten konnte, zeigte das doch, dass die Belastung zu groß für sie war. Er sprach das, was auf der Hand lag, nicht aus. Sarah würde von selbst zu der Erkenntnis gelangen und das würde schmerzhaft genug sein. Sie liebte Hannah. Sie würde sich Vorwürfe machen, weil sie nicht gemerkt hatte, dass Hannah unglücklich war. Sämtliche Drakes würden sich Vorwürfe machen.
Hannah. Baby. Ich liebe dich so sehr. Habe ich dir das überhaupt gesagt? Er konnte sich nicht erinnern. Er hatte ihr alles gegeben, was er war, er hatte ihr mit seinem Körper gehuldigt, aber hatte er die Worte ausgesprochen? Feigling. Er war selbst dann noch ein verfluchter Feigling gewesen, als sie sich ihm hingegeben hatte.
»Jonas.« Jacksons gesenkte Stimme schnitt sich durch seine Selbstvorwürfe. »Du wirst dich noch um den Verstand bringen. Sieh dir diese Akten an. Tu das, was du am besten kannst. Wenn Prakenskij die Bedrohung für sie aus der Welt geschafft hat, dann ist alles in Ordnung, aber wenn das nicht alles war, wenn eine ganze Gruppe dahintersteckt, dann lass uns dafür sorgen, dass sie in Sicherheit ist, wenn sie wieder zu sich kommt.«
Jackson hatte »wenn« und nicht »falls« gesagt. Daran klammerte sich Jonas, als er eine der Akten nahm, sie aufschlug und in Rudy Venturis Milchgesicht schaute. »Der nicht. Er ist derart fixiert auf sie, dass er sie nie mit anderen teilen würde. In seiner Phantasie gehört sie ihm.« Er reichte Sarah die Akte. »Lies du sie,
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