Magie des Windes - Feehan, C: Magie des Windes - Safe Harbor (5 - Hannah)
hätte wissen müssen, dass sie Abwehrwunden haben würde. Er hatte sie oft genug an Opfern gesehen, aber aus irgendwelchen Gründen war er nicht darauf gefasst gewesen, sie an Hannah zu sehen.
Jonas schluckte mehrfach, während er seine Hand unter ihre bandagierte Hand gleiten ließ. Nur die Fingerspitzen schauten heraus. Er hob ihre Hand mit äußerster Vorsicht und führte die Finger an seine Lippen. Er musste sie küssen, sie berühren, eine Möglichkeit finden, sie zu liebkosen. Er brauchte Hautkontakt, um einen greifbaren Beweis dafür zu haben, dass sie am Leben war und am Leben bleiben würde. Ihr Atem erschien
ihm zu flach. Trotz des Beatmungsgeräts hob und senkte sich ihre Brust kaum unter dem dünnen Laken.
»Hannah, Baby, du brichst mir das Herz.« Schon allein ihr Anblick tat weh. Es war ihm unbegreiflich, dass jemand ihr das angetan hatte. Was hatte sie denn verbrochen, wenn auch nur in den Augen eines Geisteskranken? Sie war zu schön mit ihrer makellosen Haut, ihrem ungewöhnlichen Haar und ihrer auffälligen Körpergröße, sie war enorm elegant und hatte die absolute Idealfigur und ihr Aussehen hatte die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt. Konnte es tatsächlich sein, dass jemand sie töten wollte, weil sie zu schön war? »Mir leuchtet das alles nicht ein«, murmelte er und lauschte den Geräten, die ihr das Atmen abnahmen.
Er legte seinen Kopf auf das Bett und die Gerüche und Geräusche bestürmten seine Sinne. Sein Magen drehte sich um und protestierte heftig. Hannah war an Geräte angeschlossen. Seine geliebte Hannah mit ihrem perlenden Gelächter, ihrer aufbrausenden Art und dem albernen Trick mit dem Wind, der ihm den Hut vom Kopf wehte. Er hatte einen ganzen Schrank voller Hüte und manchmal provozierte er Hannah absichtlich, nur um die Berührung des Windes zu spüren. Ihre Berührung. Weiblich und sanft, ein Wind, dem ihr ganz persönlicher Duft anhaftete. Manchmal stellte er sich vor, er könnte spüren, wie ihre Finger sein Gesicht streichelten und seine Lippen nachzogen. Doch dann kam der Klaps, mit dem ihm der Wind den Hut vom Kopf schnippte. Aber dieser kurze, herzerweichende Augenblick, in dem sie ihn liebkoste, war es vollends wert.
»Du weißt doch, dass du für mich leben musst, Hannah«, sagte er laut und richtete sich wieder auf. Er küsste ihre Fingerspitzen und zog sie nacheinander in die Wärme seines Mundes. Er brauchte sie. »Ein Leben ohne dich kann ich mir nicht vorstellen«, flüsterte er. »Ich hätte kein Ziel mehr im Leben.« Er war kein poetischer Mann, aber er musste eine Möglichkeit finden, es ihr verständlich zu machen. Es schien ihm so wichtig
zu sein, dass sie verstand, was sie ihm bedeutete. Alles Gute in seiner Welt lag auf diesem Bett und ließ eine Maschine für sich atmen.
Er beugte sich vor. »Hannah? Kannst du mich hören?« Ihr Gesicht war teilweise von Verbänden bedeckt und der Anblick ihrer Wimpern, die so dicht auf ihrer blassen Haut lagen, ließ seine Augen brennen. »Ich hätte es dir schon vor langer Zeit sagen sollen.« Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar und drückte mehrere Küsse in die dichte Mähne auf ihrem Kopf.
Es gab so viele Dinge, die er ihr hätte sagen sollen – die er hätte tun sollen. Vergeudete Zeit. Jetzt konnte er nur noch beten, denn letzten Endes war sie das Einzige, was wirklich zählte.
Jonas. Ich wusste, dass du kommen würdest. Es ist zu schwierig, laut zu reden.
Ihre Stimme in seinem Kopf erschütterte ihn. Er beugte sich dichter zu ihr vor, berührte ihr Haar, küsste ihre Fingerspitzen und versuchte, ihr zu verstehen zu geben, dass er da war und nicht fortgehen würde. »Ich bin hier, Liebling. An deiner Seite. Kannst du mich hören? Ich gehe nicht fort.« Sie hatte eine Kanüle im Hals, ein guter Grund, weshalb sie nicht mit ihm reden konnte. Wusste sie das überhaupt? »Kannst du dich an das erinnern, was passiert ist? Du bist im Krankenhaus. Du musst dich ausruhen und durchhalten, bis deine Familie kommt.«
Ist bei dir alles in Ordnung?
Sein Herz zog sich zusammen. Das sah Hannah ähnlich – ihn zu fragen, ob bei ihm alles in Ordnung war, während sie um ihr Leben kämpfte. »Ich habe Angst, Hannah, ich habe entsetzliche Angst. Du musst durchhalten, bis deine Familie kommt. Libby ist auf dem Weg und alle anderen auch. Sie kommen alle, Hannah, weil du uns wichtig bist und wir dich nicht verlieren dürfen. Ich darf dich nicht verlieren.«
Ich musste dir noch sagen, dass es mir leidtut.
Sein Herzschlag
Weitere Kostenlose Bücher