Magie einer Gewitternacht
ihn damals geschickt hatte, um Farbverdünner zu kaufen. Zuerst hatte er Lucia nicht erkannt, denn in den Jahren, in denen er sie nicht gesehen hatte, war sie von einem jungen Mädchen zu einer schönen Frau geworden. Zum Glück hatte auch bei diesem Zusammentreffen ihr Vater eingegriffen, denn er, Derringer, hätte nicht sagen können, wohin seine Lust ihn sonst getrieben hätte.
Aber das alles war lange her. Inzwischen waren sie vor dem Torie’s eingetroffen, dem besten Café der Stadt, das für seine süßen Leckereien berühmt war. Derringer half Lucia aus dem Wagen und registrierte dabei sehr wohl die neugierigen Blicke der Passanten. Allerdings war er sich diesmal nicht sicher, ob diese Blicke wirklich nur seinem Wagen galten oder vielmehr der Frau in seiner Begleitung. Und zum ersten Mal vergaß er auch, den jungen Mann, der den Wagen parkte, zur Vorsicht zu mahnen.
Sie wurden vom Geschäftsführer persönlich begrüßt. „Wie schön, Sie bei uns zu sehen, Mr Westmoreland.“
„Danke, Pierre. Haben Sie einen etwas ruhigeren Tisch für uns?“
„Selbstverständlich, Sir.“
Derringer hielt Lucia am Ellbogen, als sie zu einem Tisch geführt wurden, von dem aus man einen traumhaften Blick auf die Berge und den See hatte. Im Kamin brannte ein anheimelndes Feuer und machte die romantische Umgebung perfekt. Das gefiel selbst Derringer, der eigentlich alles andere als ein Romantiker war. „Wenn du etwas essen willst, kann ich den Erdbeersahnekuchen sehr empfehlen“, meinte er.
„Dann will ich dir mal glauben.“
Lucia bestellte ein Glas Wein, Derringer nur Sodawasser.
„Ich muss ja fahren“, erklärte er auf ihren fragenden Blick hin. „Außerdem verträgt der Alkohol sich nicht mit meinen Medikamenten. Der Arzt hat mich sehr nachdrücklich vor der Wechselwirkung gewarnt.“
„Hast du immer noch Schmerzen?“, wollte Lucia wissen.
Er lächelte ein wenig gequält. „Es geht. Ich darf mich nur nicht zu schnell bewegen.“
„Vermutlich wirst du eine Weile nicht mehr versuchen, Sugar Foot zu reiten.“
„Wie kommst du denn darauf? Ich hatte das eigentlich schon morgen vor.“
Ihr Gesichtsausdruck war unbezahlbar. Entsetzen und Unglauben wechselten sich in schneller Folge ab. „He, das war ein Witz!“, sagte Derringer und nahm ihre Hand.
Vorwurfsvoll sah Lucia ihn an. „Das will ich doch sehr hoffen. Auch hoffe ich, dass du deine Lektion gelernt hast. Man geht nicht unnötig so ein Risiko ein.“
Er lachte. „Ja, ich gebe zu, ich bin klüger geworden.“ Gleichzeitig war ihm klar, dass es ein sehr viel größeres Risiko war, zu viel Zeit in ihrer Gesellschaft zu verbringen. Jetzt erst fiel ihm auf, dass er noch immer ihre Hand hielt, und er musste sich dazu zwingen, sie loszulassen.
Sich an eine Frau wie Lucia zu gewöhnen war gefährlich, denn ehe man sich’s als Mann versah, saß man in der Falle. Natürlich zog sie ihn an, aber für seinen Geschmack ein bisschen zu sehr. Sie war genau die Frau, die ihn dazu brachte, sie auf eine Weise zu begehren, wie er noch nie eine Frau begehrt hatte. Und das war alles andere als gut.
Später bestellten sie sich noch einen Kaffee und teilten sich ein Stück Kuchen. Sie unterhielten sich über Gott und die Welt, und Derringer ertappte sich immer wieder dabei, dass sein Blick sich in Lucias Gesicht verlor. Sie war schön, da hätte ihm kein Mann widersprochen, aber diese Schönheit war nicht nur oberflächlich, sondern sie kam von innen, und das machte Lucia so anziehend.
Als er sie zwei Stunden später nach Hause fuhr, stellte er fest, dass der Abend ganz anders verlaufen war, als er es ursprünglich beabsichtigt hatte. Vor einer roten Ampel mussten sie anhalten, und dabei warf er Lucia einen Blick von der Seite zu. Sie schlief. Kein Wunder, dachte er. Eigentlich wollte er alles Mögliche mit ihr anstellen, wenn sie vor ihrem Haus angelangt waren, aber er wusste, dass es am besten war, wenn er sie einfach nur zur Tür brachte und sich dann schleunigst verabschiedete. In ihm ging irgendetwas vor, das er nicht verstand und auch nicht verstehen wollte. Allein dieser Kuss vorhin hatte ihn umgeworfen und seinen Verstand komplett ausgeschaltet. Von wegen, er wollte ihr eine Lektion erteilen!
Nur ein paar Minuten später ging er neben ihr zur Haustür.
„Danke für den wunderschönen Abend, Derringer.“
„Gern.“ Er musste sich dazu zwingen, sie nicht sofort wieder einzuladen. Das hätte ihm noch gefehlt. „Ich fahre dann wohl wieder“, sagte er
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