Magie einer Gewitternacht
diesen einlullenden Jazzmelodien aus dem CD-Spieler nicht wegzudösen. Verträumt sah sie aus dem Fenster und betrachtete all die Gebäude, an denen sie vorbeifuhren. Denver ist wirklich eine wunderschöne Stadt, fand sie. Sie hätte nirgendwo anders leben wollen.
Auf den Straßen herrschte wenig Verkehr, und so hatten sie ihr Büro schneller als erwartet erreicht. Aber immer noch nicht schnell genug für mich, versuchte sie sich einzureden. Zugleich wusste sie, dass sie sich etwas vormachte. Denn natürlich konnte ihr die Fahrt nicht lange genug dauern, und eigentlich war sie stolz darauf, dass sie neben ihm saß. Sie war es gewesen, der er Blumen geschickt und auf die er an diesem Abend vor der Uni gewartet hatte. Und für sie hatte er auch polizeilichen Geleitschutz organisiert. Da konnte man als Frau schon schwach werden, wenn man nicht sehr aufpasste.
„Und? Ist deine Prüfung gut gelaufen?“, wollte er jetzt wissen. „Meinst du, du hast bestanden?“
Die Frage überraschte sie, und sie sah ihn an, als er den Wagen einparkte. „Ich denke doch, und zwar ziemlich gut.“ Sie lächelte.
„Das freut mich für dich.“
„Danke.“
Er stieg aus, ging um den Wagen herum und machte ihr die Tür auf. Einen Augenblick standen sie einander gegenüber.
„Danke für alles, Derringer. Wenn du nicht gewesen wärst, hätte ich es nicht mehr rechtzeitig zur Prüfung geschafft.“
„Keine Ursache, Baby.“
Sie schauderte. „Nenn mich nicht ‚Baby‘!“
Betont lässig lehnte er sich an den Wagen. „Warum nicht?“
„Weil ich bestimmt nicht die Einzige bin, die du so nennst.“
„Nein. Aber du bist die Einzige, bei der es etwas bedeutet.“
Lucia schüttelte den Kopf und ging neben ihm zu ihrem Auto. Es war ein kalter Aprilabend. Am Wochenende wurde ein Schneesturm erwartet.
„Du gibst wohl nie auf, oder?“, fragte sie.
„Nein.“ Sie waren an ihrem Ziel angekommen. Langsam erschien ein Lächeln auf Derringers Gesicht. „Lucia, schlaf wieder mit mir.“
„Willst du mir vielleicht einreden, dass es nicht nur mit Sex zu tun hat? Gib dir keine Mühe.“
Er kapierte es einfach nicht! Sie liebte ihn. Und da er das nun einmal wusste, würde sie sich mit nichts weniger zufriedengeben als seinem Geständnis, dass er diese Liebe erwiderte. Gleichzeitig wusste sie, dass das nie geschehen würde, nicht in ihren wildesten Träumen glaubte sie daran. Also blieb ihr nur eines übrig: ihr Leben ohne ihn fortzuführen. „Gute Nacht, Derringer.“
Er trat zur Seite, als sie in ihren Wagen stieg und schnell wegfuhr.
In der Nacht warf Derringer sich schlaflos im Bett herum, bis er sich schließlich aufsetzte und das Licht anknipste. Der helle Schein blendete ihn, und er rieb sich die Augen.
Er hatte einen anstrengenden Tag vor sich – genau genommen eine ganze Woche. Dann wollte sein Cousin Cole mehr als hundert Pferde aus Texas herbringen, und bis dahin musste alles vorbereitet sein. Der für das Wochenende angekündigte Schneesturm machte es nicht leichter.
Als er hinter sich griff, um sein Kopfkissen zurechtzuschieben, fühlte er Lucias Spitzenslips und lächelte. Inzwischen besaß er zwei, denn am vergangenen Wochenende hatte er noch den roten Slip mitgenommen, den er ihr ausgezogen hatte. Ob sie ihn wohl schon vermisste? Wahrscheinlich nicht, sonst hätte sie bestimmt etwas gesagt.
Schwanger war sie also nicht. Zu seiner Überraschung war er tatsächlich ein wenig enttäuscht darüber gewesen. In der Zwischenzeit hatte er sich schon an den Gedanken gewöhnt, dass er vielleicht Vater wurde. Das ergab zwar irgendwie keinen Sinn, aber er konnte es nicht ändern.
Er lehnte sich zurück. Lucia war ganz besessen von der Idee, es gehe ihm nur um Sex. Schließlich hatte er ihr doch selbst gesagt, dass sie seine Seelenverwandte sei. Was wollte sie denn sonst noch?
Er musste nicht lange nachdenken, um die Antwort darauf zu finden. Sie wollte, dass er sie liebte, aber genau das würde und konnte nicht passieren. Was wäre, wenn sie ernsthaft krank wurde und er sie nicht schnell genug ins Krankenhaus bringen konnte? Oder wenn sie einen Autounfall hatte und dabei starb? Oder wenn sie von einer Herde Pferde totgetrampelt wurde? Was war, wenn er sie verlor, so wie er seine Eltern verloren hatte? Und seine Tante und seinen Onkel? In einem Augenblick waren sie noch da gewesen, im nächsten waren sie für immer verschwunden.
Derringer rieb sich das Gesicht. Die Richtung, die seine Gedanken nahmen, missfiel ihm. Ohne
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