Magie und Schicksal - 2
errötet und steht auf, um den Tisch abzuräumen, während wir anderen einen regelrechten Lachkrampf bekommen. Sogar Helene kichert leise hinter vorgehaltener Hand, und einen Augenblick lang vergesse ich, dass wir in Avebury sind.
Ich vergesse das Summen in meinem Körper. Das Flüstern des Medaillons an meinem Handgelenk. Samaels Verlockungen.
Einen Augenblick lang vergesse ich fast, dass dies möglicherweise die letzten Tage sind, in denen ich eine unsterbliche Seele mein eigen nenne.
Fast.
Ich bin nicht die Einzige, die Zerstreuung sucht, und wir verbringen einen angenehmen Abend mit fröhlichem Geplauder, als ob wir vereinbart hätten, heute ausnahmsweise einmal nicht über die Prophezeiung zu sprechen. Sonia und ich helfen Brigid, das Abendessen vorzubereiten, während Helene und Luisa an dem abgewetzten Esstisch Cribbage spielen. Gareth entzündet ein Feuer und Dimitri geht auf die Suche nach Wein. Nach geraumer Zeit kehrt er triumphierend aus dem Keller zurück und hält vier staubige Flaschen mit einer rubinroten Flüssigkeit hoch.
Edmunds Wachsamkeit ist das Einzige, was uns an unsere Mission erinnert. Er nimmt in regelmäßigen Abständen das Gewehr zur Hand und macht einen Rundgang um das Haus, während Tante Virginia mit einer Decke um die Schultern, die sie gegen die aufkommende Abendkälte schützen soll, auf der Veranda sitzt.
Es dauert nicht lange, da ist der Tisch gedeckt, das Essen dampft in den Schüsseln, der Wein funkelt in den Gläsern, und wir setzen uns in bester Laune hin. Voller Freude schaue ich zu, wie Helene sich lachend mit Sonia und Luisa unterhält und Gareth Brigid unzählige kleine Gefälligkeiten erweist, was mich lächeln und sie erröten lässt.
Ein tiefer Friede kehrt in mein Herz ein, als ich sie betrachte – diese Menschen, für die ich so viel Liebe empfinde. Diese Menschen, die mir so lieb und teuer geworden sind. Ich weiß mit einem Mal ganz genau, dass sie keinen Schaden nehmen werden, egal, was mit mir geschieht.
Sie werden leben und glücklich sein. Sie werden lachen und lieben.
Das ist alles, was ich wissen muss. Ich empfinde eine neue Stärke und weiß, dass es gut war, ohne Alice nach Avebury zu kommen. Und ich schaue mich am Tisch um in der Gewissheit, dass mein Opfer, falls es dazu kommen sollte, dafür sorgen wird, dass das Gute in der Welt bestehen bleibt.
Erst als ich Dimitri anschaue, überkommt mich ein Schatten des Zweifels. Obwohl er lächelt und das eine oder andere Mal auch lacht, sehe ich die Sorge in seinen Augen. Es wäre eitel zu glauben, dass er ohne mich nicht leben könne, dass er nicht anderswo sein Glück finden wird. Aber der abwesende Ausdruck, der sich manchmal auf sein Antlitz stiehlt, und die Traurigkeit in seinem Blick beunruhigen mich. Ich will ihn nicht allein zurücklassen.
Ich strecke die Hand aus und streiche ihm das Haar aus der Stirn. Es ist mir egal, ob Tante Virginia oder irgendjemand sonst mich für dreist hält. Dimitris Augen tauchen in meine ein. In ihren Tiefen lodern Verlangen und Liebe wie Flammen. Wenn es irgendetwas auf der Welt gibt, das mich von meinem Entschluss abbringen könnte, dann ist er es.
Ich lasse mich tiefer in das heiße Wasser sinken. Meine Freude war unbeschreiblich, als Brigid mir den kleinen Raum im hinteren Bereich des Hauses gezeigt hat, in der diese alte Zinkwanne stand. Wir schleppten sie in mein
Zimmer, kochten kesselweise heißes Wasser und füllten die Wanne damit. Das Gefühl, in dieses köstliche Nass einzutauchen, ist so luxuriös, dass ich mir immer wieder versichern muss, dass ich es wahrhaftig verdient habe.
Morgen um diese Zeit werden wir uns auf die Beschwörung vorbereiten. Das heißt, wenn uns nicht vorher noch die Leibwache aufspürt. Wie auch immer, dies ist möglicherweise meine letzte Nacht in der Welt der Lebenden.
Ich will meinen Geist leeren. Will mich auf das Gefühl des Wassers an meiner Haut konzentrieren, auf das kühle Metall an meinem Rücken, auf den leichten Luftzug, der außerhalb des Wassers existiert und den ich auf meinen Wangen spüre. Aber kaum habe ich mich entspannt, da erscheint Dimitris Gesicht vor meinem geistigen Auge. Ich sehe ihn, wie ich ihn beim Essen gesehen habe, mit diesem Blick voller Verlangen, das sich auch in meinen Augen widerspiegelt, gewachsen in meinem Herzen, in meiner Seele. Etwas Zartes und Vielversprechendes regt sich in meinem Bauch, wenn ich an ihn denke.
»Möchtest du, dass ich draußen bleibe, bis du fertig bist?«
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