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Magie und Schicksal - 2

Magie und Schicksal - 2

Titel: Magie und Schicksal - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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hängt noch an meinem Hals, obwohl er längst erkaltet ist. Es mag keine spirituelle Kraft mehr in ihm liegen, aber er ist ein Teil von Tante Abigail. Das Gefühl ihrer Nähe ist ein Trost.
    Dimitri schaut mir entgegen, als ich den Kreis aus Fackeln durchquere. Ich bleibe vor ihm stehen. Mehr als alles andere wünsche ich mir, ich könnte die Trauer und Resignation aus seinen Augen vertreiben.
    Doch alles, was ich ihm schenken kann, ist die Hoffnung, dass ich stark bin. »Ich bin bereit.«
    Er nickt und deutet auf das Feuer ein paar Schritte entfernt.
»Alles ist, wie es sein soll. Die Beschwörung verlangt zwar kein Feuer, aber es wird Edmund und mir helfen, die Felder im Auge zu behalten, falls sich jemand zu nähern wagt. Wir haben…«
    »Ist es nicht ein Risiko, ein Feuer zu entzünden, wenn in der Prophezeiung nicht ausdrücklich eins erwähnt wird?«, unterbricht ihn Helene.
    Dimitri seufzt. »Feuer ist ein Teil von vielen alten Zeremonien, aber man kann es auch einfach als Lichtquelle sehen. Solange alles andere an seinem Platz ist, wird Lia in der Lage sein, Samael zu beschwören.«
    Aber es ist nicht alles an seinem Platz , denke ich. Alice ist nicht da.
    Ich bin mir sicher, dass die anderen das Gleiche denken, aber das Offensichtliche auszusprechen, hat keinen Sinn. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.
    Dimitri schaut zum Feuer, dorthin, wo ein hölzerner Sockel steht. »Wir haben den Stein etwas erhöht positioniert, damit er leichter das Licht der aufgehenden Sonne einfangen kann. Jetzt müsst ihr einen Kreis bilden, euch an den Händen fassen und die Beschwörungsformel sprechen, bis die Sonne den Stein erleuchtet.«
    So einfach, wie es aus seinem Mund klingt, wird es gewiss nicht sein, aber das schwache Licht am Horizont breitet sich allmählich über den Himmel aus und überzieht die Dunkelheit über unseren Köpfen mit einem milchigen Schimmer.
    Langsam wende ich mich meinen Gefährtinnen zu und
schaue sie an, eine nach der anderen – Helene, Brigid, Luisa, Sonia und Tante Virginia. »Danke, dass ihr an meiner Seite seid. Lasst uns beginnen!«

39
    Z uerst bin ich fast ein bisschen verlegen. Die Worte der Beschwörung fühlen sich auf meiner Zunge fremder an, als sie mir im Geiste erschienen. Wir sprechen nicht immer im Einklang, sondern stolpern über die Formel, während wir im Kreis um das Feuer und den Stein stehen. In einer Hand spüre ich Tante Virginias zarte, kühle Finger und in der anderen die leicht feuchten von Sonia.
    Mir gegenüber sehe ich Brigid durch die Flammen des Feuers, die sich auf die Beschwörung konzentriert, Helene und Luisa stehen rechts und links von ihr. Nur einmal werfe ich einen Blick zum Himmel und registriere fast unbeteiligt, dass sich dort das Licht sammelt, während die Sonne ihre Reise in den Morgen antritt. Danach schließe ich die Augen und denke an nichts mehr außer an die Worte des Rituals. Darauf, sie mit den anderen im Chor auszusprechen. Darauf, das Untier zu beschwören.
    Die Worte kommen jetzt rhythmischer, gehen uns leichter
über die Lippen, je öfter wir sie wiederholen. Es ist hypnotisierend, dieselben Worte immer und immer wieder auszusprechen. Die physische Welt rückt immer weiter von mir ab, bis ich nur noch durch meine Füße mit ihr verbunden bin. Dort pulsiert die uralte Energie von Avebury, fließt durch meine Beine bis zu meinem Bauch, in meine Arme, meinen Kopf, bis mein ganzer Körper vibriert und ich mich förmlich in diese Urkraft hineinstemme. Ich denke an Altus, rieche den würzigen Duft der Orangen und die feuchte, salzige Seeluft. Ich kann die Wellen hören, die sich an den Felsen brechen, und mir ist, als ob ich wieder auf den Klippen von Altus stünde.
    Ich schwebe in dem Äther, der zwischen der wirklichen Welt und den Anderswelten liegt. Ich gebe mich ihm hin. Verliere mich in den kraftvollen Worten der Beschwörung, in der Hitze des Feuers, in dem heiligen Boden unter meinen Füßen.
    Und dann werden meine Augen wie von einer großen Macht aufgerissen. Ein gleißendes Licht bohrt sich hinter meine Augenlider, den Bruchteil einer Sekunde bevor ich den Stein erblicke, erleuchtet von einem einzelnen Sonnenstrahl, der sich den Weg über den Horizont gebahnt hat.
    Ein Summen erhebt sich aus der Mitte unseres Kreises, rauscht in Wellen nach außen, während der Stein, der scheinbar von innen erhellt wird, seine Farbe verändert. Er ist nicht länger ein matter grauer Kiesel, sondern ein leuchtend grünes Oval. Ich kann die Augen nicht

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