Magie und Schicksal - 2
knappen Nicken annimmt. Allerdings ist es durchaus möglich, dass er uns lediglich im Auge behalten will.
»Es wäre mir ein Vergnügen, Sie in der Grabanlage herumzuführen«, sagt er. »Wie Sie so richtig bemerkten: Das Gelände ist weitläufig, und wir werden einen ganzen Tag brauchen. Wir brechen bei Sonnenaufgang auf.«
Der Himmel, zart orange und blässlich rosa, wölbt sich über uns, während wir über die Felder reiten. Mr O’Leary sitzt im Sattel eines betagten grauen Wallachs und führt unsere kleine Gruppe an, und obwohl ich mir immer noch wünsche, dass Dimitri und ich die Mittel besäßen, die Höhlen alleine zu erkunden, sind wir heute viel besser ausgerüstet als gestern. Mr O’Leary hat drei Fackeln eingepackt, ein großes Proviantpaket, das Brigid vorbereitet hatte, und ein Duplikat der Karte, die er Dimitri überlassen hatte, auf der etliche Stellen eingekreist waren. Wenigstens werden wir in den Höhlen etwas sehen können, wir werden auch nicht verhungern müssen und wir bekommen endlich eine Vorstellung davon, wo wir uns befinden.
Wir fangen mit derselben Höhle an, die Dimitri und ich gestern erforscht haben. Dimitri will protestieren, aber Mr O’Leary lässt ihn nicht zu Wort kommen.
»Haben Sie das Hügelgrab durch den Vordereingang betreten? « Immer noch auf dem Rücken seines Pferdes führt er uns auf die andere Seite des Hügels.
»Nun … ja.« Dimitri runzelt verwirrt die Stirn. »Wie denn sonst?«
Mr O’Leary zügelt sein Pferd und springt zu Boden. »Nun, das ist naheliegend, aber es gibt noch einen anderen Eingang.« Er schaut zu uns hoch. »Was ist? Kommen Sie oder nicht?«
Dimitri und ich steigen ab und binden unsere Pferde neben Mr Learys Grauem an. Als wir aufschauen, ist er schon halb den Hügel hinaufgeklettert.
»Mr O’Leary?« Mit der Hand schirme ich meine Augen vor der höher steigenden Sonne ab. »Was machen Sie denn da?«
Er seufzt und wirft einen ungeduldigen Blick in unsere Richtung. »Es wäre klug, die Fragerei sein zu lassen. Sie haben mich gebeten, Sie zu führen.« Mit einer leichten Verneigung deutet er auf den Hügel. »Und jetzt bitte ich Sie, mir zu folgen.«
Dimitri steigt zuerst auf den morastigen, grasbewachsenen Hügel. Er findet sein Gleichgewicht und streckt die Hand aus, um mir hochzuhelfen, aber ich bin schon auf dem Weg. Er lächelt und die Bewunderung in seinem Blick lässt mein Herz höher schlagen.
Ich halte mit den beiden Männern Schritt. Gemeinsam ersteigen wir den Hügel. Er ist nicht steil, aber lose Steine, Schlamm und von Gras überwucherte Erhebungen und Senken erschweren das Vorwärtskommen. Ich achte sorgfältig darauf, wohin ich trete. Mr O’Leary ist als Erster oben. Er steht still da und starrt nach unten, als ob sich zu seinen Füßen etwas ganz und gar Faszinierendes befinden würde. Als Dimitri und ich zu ihm treten, erkennen wir den Grund.
Da ist ein Loch im Hügel. Genauso wie Mr O’Leary nach unten starrend, frage ich: »Was ist das?«
»Ein Loch, was sonst?« Mr O’Learys Stimme klingt gelangweilt, als ob es ganz alltäglich sei, oben auf einem uralten Grabhügel zu stehen, in dem sich ein ziemlich ausgedehntes Loch befindet.
»Das sehe ich auch.« In meiner Stimme liegt ein gereizter Unterton. »Aber wozu ist es da? Und woher stammt es?«
Er schüttelt den Kopf. »Es ist eine Schande, ja wahrhaftig. Einer der Gentlemen, die seinerzeit diesen Ort entdeckten, hat die Decke dieses Hügels abgetragen. Er meinte, er suche nach einer Grabstätte.«
»Und hat er sie gefunden?«, fragt Dimitri.
Wieder schüttelt Mr O’Leary den Kopf. »Nein. Und er hat auch die Steine nicht wieder an ihren Platz gelegt. Wenn wir uns von hier aus in die Höhle hinablassen, landen wir in einem Bereich, der nicht sichtbar ist, wenn man das Grab durch den Haupteingang betritt.
Ich schaue hinunter in die Höhle. »Aber werden wir die Steine nicht in Unordnung bringen?«
»Es gibt niemanden, der sich in dieser Grabanlage vorsichtiger und behutsamer bewegt als ich. Wir nehmen uns in Acht, sehen uns um und gehen wieder, ohne dass irgendein Schaden entsteht. Ich werde die Fackeln halten, damit Sie hinunterspringen können. Wenn sie unten sind, werfe ich die Fackeln hinunter.«
Der Boden des Hügelgrabs ist felsig, und ich bin nicht sicher, ob ich den Abstieg unbeschadet überstehe. Und mir ist gar nicht wohl dabei, mich in eine dunkle Höhle hinabzulassen, ohne eine Fackel, während Mr O’Leary draußen im Freien bleibt.
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