Magie und Schicksal - 2
Stiefel schiebe. Ich schnüre sie nicht zu, sondern folge Dimitri hinaus ins Freie.
Meine Augen müssen sich erst an das Licht der aufgehenden Sonne gewöhnen. Ich beschirme sie mit meiner Hand.
»Was ist? Was ist los?« Dimitri und Gareth stehen neben den Pferden und unserem Gepäck. Aber als ich mit den Augen das Gelände absuche, was sie wohl so aufgeschreckt haben mag, erkenne ich merkwürdig geformte Gegenstände, die auf dem Boden verstreut liegen.
Langsam gehe ich quer durch unser Lager auf Dimitri und Gareth zu, wobei ich nach rechts und links blicke. Es ist unser Hab und Gut, was da über unser ganzes Lager verteilt ist.
Gareth wendet sich mir zu. Die Ratlosigkeit auf seinem Antlitz bereitet mir mehr Sorge als die Unordnung ringsum. »Es ist das Wasser. Jemand hat unseren Wasservorrat ausgeleert.«
Ich schaue mich um. »Unser Wasser? Was bedeutet das?«
Dimitri hält einen Wasserschlauch hoch und dreht ihn um. Nicht einmal ein Tropfen rinnt aus der Öffnung. »Jemand
ist heute Nacht in unser Lager gekommen und hat all unsere Wasserbehälter geöffnet und ausgeleert.«
»Aber wer würde so etwas tun?« Brigid ist neben mich getreten. Ihr Haar ist noch gelöst, und die kupfernen Strähnen schimmern in den kleinen Lichtspeeren aus Morgensonne, die durch die Bäume fallen. »Und warum?«
Dimitri fährt sich mit der Hand über das Gesicht. Ich kenne dieses Geste: Das macht er immer, wenn er müde oder ratlos ist. »Ich weiß es nicht. Aber das ist es gar nicht, was mich beunruhigt.«
Gareth kniet auf dem Boden und untersucht unsere Besitztümer, während ich versuche zu verstehen, was Dimitri gerade gesagt hat.
»Und was beunruhigt dich dann?«
»Wer immer das war, kam in unser Lager, während Gareth und ich Wache standen. Es stimmt, dass ich später in der Nacht bei dir war, aber vorher haben wir uns mit der Wache abgewechselt. Gareth sagt, dass er das Lager keinen Moment lang unbewacht gelassen hat, während ich in deinem Zelt war.«
»Jemand hat sich in das Lager geschlichen? Jemand hat sich eingeschlichen, während Sie Wache standen?« Ich bewundere Brigid für diese Frage, denn in ihrer Stimme liegt kein Vorwurf, sondern bloß Neugier und der Wunsch, die Situation zu begreifen.
Gareth steht auf. »Die Pferde und das Gepäck befanden sich unter den Bäumen am Rand des Lagers. Um unseren Proviant haben wir uns keine Sorgen gemacht, nur um
unsere eigene Sicherheit. Jemand, der sehr geschickt ist, hätte es wohl schaffen können, sich den Pferden und den Satteltaschen unbemerkt zu nähern.« Er schaut sich um. »Aber es gibt etwas, das mir wirklich Angst macht. Und das ist nicht die Tatsache, dass sich jemand eingeschlichen hat.«
»Was könnte beängstigender sein als jemand, der unser Lager durchwühlt und unser Wasser ausgießt, während wir gleich daneben friedlich schlafen?«, fragt Brigid.
»Jemand, der dabei keine Spuren hinterlässt.« Noch bevor Dimitri die Worte ausgesprochen hat, wusste ich, dass er das sagen würde. Er schaut mich an, ehe er sich wieder an Brigid wendet. »Gareth und ich fanden weder einen Fußabdruck, noch eine Hufspur. Wer immer – oder was immer – es war, kam und ging wie ein Geist.«
Unseren Wasservorrat wieder aufzufüllen, ist nicht schwierig, nur ärgerlich. Es ist unmöglich, in England zu verdursten, aber die Behälter wieder zu füllen, kostet Zeit, und wir hören förmlich die Uhr ticken, während wir an all das denken, was wir noch erledigen müssen, bevor wir die Beschwörung in Avebury durchführen können. Das Rätsel, was mit unserem Wasser geschah und wer dafür verantwortlich ist, ist nicht dazu angetan, die Stimmung zu verbessern. Wir sind angespannt, schweigsam, in unseren eigenen Gedanken versunken, während wir das Lager abbrechen und uns zum Aufbruch bereit machen.
»Hast du eine Ahnung, wer das war?«, fragt mich Brigid.
Die Wasserbehälter neu gefüllt, sammeln wir die Kleidungsstücke
und die persönlichen Gegenstände ein, die über das Lager verstreut sind, während Dimitri und Gareth die Zelte zusammenrollen.
Ich schüttele den Kopf. »Ich würde vermuten, jemand, der in den Diensten der Seelen steht, oder vielleicht der Leibwache, aber …«
Ihre Augen finden meine. »Es gibt keine Spuren.«
Ich nicke. »Die Seelen dürfen in unserer Welt keine Magie anwenden, mit einer Ausnahme: Sie dürfen die Gestalt wandeln. Aber ich habe darüber nachgedacht. Ein Tier, das sich unbemerkt in das Lager hätte schleichen können, wäre nicht
Weitere Kostenlose Bücher