Magie
Noven - Lord Gilars
Land -, bis er auf die nächste Hauptdurchgangsstraße gestoßen war, die nach Imardin führte. Die Sachakaner hatten sich jedoch in die Imardin entgegengesetzte Richtung gewandt, bis sie auf ein Dorf gestoßen waren und sich dort niedergelassen hatten.
Sie hatten eine Schneise zerstörter Dörfer und Häuser hinter sich gelassen, die quer durch das Lehen verlief, aber die einzige Zerstörung, die die jetzt frisch zur Armee gestoßenen Kyralier bisher gesehen hatten, waren verbrannte Bauernhäuser und Lagerhäuser entlang der Straße. Gelegentlich waren auch Leichen zu sehen.
»Tessia!«
Die Frauenstimme kam von hinten. Als Tessia sich umdrehte, sah sie Lady Avaria auf sich zureiten. Auch andere beobachteten Avaria, die ein weinendes Kind unter einem Arm hielt. Avarias Dienerin und Quelle, eine nüchterne junge Frau, die Tessia vom ersten Moment an gemocht hatte, folgte dicht hinter ihr.
»Könnt Ihr ihn Euch einmal ansehen?«, fragte Avaria, als sie Tessia erreicht hatte. »Ich habe die Heiler darum gebeten, aber einer von ihnen hat sich geweigert, und der andere hat mir erklärt, es sei gütiger, ihn zu ersticken.«
Ein kleines, verzerrtes rotes Gesicht erschien, als die Frau Tessia das Bündel hinhielt. Der Mund des Kindes war weit geöffnet, während es laut weinte. Tessia nahm das Baby behutsam entgegen und untersuchte es. Es hatte eine leuchtend rote Prellung am Kopf.
»Er hat einen Schlag abbekommen, aber es ist nichts gebrochen«, sagte sie. »Und wahrscheinlich hat er mörderische Kopfschmerzen. Wo habt Ihr ihn gefunden?«
»Ich habe ihn gar nicht gefunden. Das war einer der anderen Magier, der daraufhin beschlossen hat, dass ich, weil ich eine Frau bin, in der Lage wäre, mich um ihn zu kümmern und gleichzeitig in die Schlacht zu reiten.« Ein verärgerter Ton hatte sich in Avarias Stimme geschlichen, der jedoch die Sorge darin nicht verdrängen konnte. »Scht«, sagte sie besänftigend, als Tessia ihr das Kind zurückgab. »Armer Kerl. Als er gefunden
wurde, war er noch auf den Rücken seiner toten Mutter gebunden. Ich schätze, das beweist, dass die Gerüchte, nach denen Sachakaner Babys essen, nicht der Wahrheit entsprechen. Nicht dass ich das geglaubt hätte«, fügte sie hastig hinzu.
Etwas in Tessia krampfte sich schmerzhaft zusammen. »Ist es weniger grausam, ihn liegen zu lassen, damit er verhungert?«
»Nein. Scht«, sagte Avaria, dann verdrehte sie die Augen, als der Kleine noch lauter zu schreien begann.
»Er hat wahrscheinlich Hunger«, meinte Tessia. »Und so wie er riecht, würde ich sagen, dass er schon vor langer Zeit eine frische Windel gebraucht hätte.«
Avaria seufzte. »Ja. Bei uns kann er nicht bleiben. Ich würde Senya beauftragen, ihn nach Capia zu bringen, wenn ich auf sie verzichten könnte, aber das kann ich nicht.«
»Kann eine der anderen Dienerinnen ihn hinbringen?«, fragte Tessia.
Ein angewiderter Ausdruck trat in Avarias Züge. »Senya hat vorgeschlagen, ihn den Unerwähnten zu übergeben.«
»Den ›Unerwähnten‹?« Tessia runzelte die Stirn, dann musste sie sich ein Lachen verkneifen. »Die Frauen, die der Armee folgen? Ich vermute, eine von ihnen würde ihn vielleicht nehmen... für den richtigen Preis.« Sie betrachtete den Jungen und dachte nach. »Versucht es zuerst bei den Dienerinnen. Wir werden vielleicht auch Überlebenden begegnen, die bereit wären, sich um ihn zu kümmern.« Das Heulen des Kindes wurde plötzlich noch lauter. »Aber er wird es nicht mehr lange machen, wenn Ihr ihm nichts zu essen gebt.«
Avaria nickte. »Danke.« Sie sah Senya an. »Könntest du...?«
Die Dienerin lächelte, wendete ihr Pferd und ritt wieder zurück. Avaria blickte nach vorn, und an die Stelle der Sorge in ihren Zügen trat zuerst Ärger, dann Entsetzen.
»Was...?«
Sie folgte Avarias Blick, schaute an den Magiern vorbei und verspürte plötzlich Übelkeit. Die Straße war von Leichen übersät. Nicht Dutzende, sondern Hunderte. Als die Armee näher
kam, sah sie, dass es sich bei den Opfern um Männern und Frauen aller Altersklassen handelte. Auch Kinder waren darunter. Überall wurden Schreie und Flüche laut.
»Sie müssen auf dem Weg nach Süden gewesen sein«, sagte Jayan leise. »Sie haben getan, was man ihnen aufgetragen hatte- sie haben ihr Dorf verlassen. Nur dass sie dabei den Sachakanern in die Arme gelaufen sind.«
Dakon stieß einen unverständlichen Laut aus. »Schaut.« Er deutete auf zerbrochene Möbelstücke am
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