Magie
gesehen, was ihr das Bewusstsein geraubt hatte. Sie und …
Jayan? Wo...? Sie richtete sich auf und sah sich suchend um. Es war dunkel; nur der roter Schimmer eines Feuers war am Himmel zu sehen. Alles roch nach Rauch und Staub. Da sie nicht wagte, eine Lichtkugel zu schaffen und so das Risiko einzugehen, ihren Standort zu offenbaren, erhob sie sich und tastete ihre Umgebung ab.
Plötzlich stießen ihre Hände nicht mehr auf harten Stein, sondern auf weichen Stoff. Sie erkannte die Umrisse eines Beins unter dem Stoff. Ein vertrauter Geruch stieg ihr in die Nase. Metallisch. Wie Blut. Aber dann konnte sie nur noch Rauch riechen.
Vielleicht hatte sie es sich eingebildet.
»Jayan?«, flüsterte sie. »Bist du das?«
Sie tastete das Bein weiter ab, bis sie die Taille erreichte und etwas Feuchtes, Klebriges berührte. Ihr Magen schnürte sich zusammen. Er blutete. Ihre Nase hatte sie nicht getrogen.
Ich brauche Licht. Ich muss es riskieren.
Sie konzentrierte sich und schuf eine denkbar winzige Lichtkugel, die sie mit den Händen abschirmte. Sofort begriff sie: Jayan hatte schreckliche Verletzungen erlitten. Ihr Herz raste vor Angst. War er tot, oder lebte er noch? Sie nahm die Hände etwas auseinander und erweiterte so den Lichtkegel. Sofort
sah sie die Wunde, ein Loch in seinem Unterleib, aus dem Blut sickerte. Hoffnung wurde in ihr wach. Wenn noch Blut floss, war er nicht tot.
»Jayan«, sagte sie und rüttelte ihn an der Schulter.
Seine Augen öffneten sich flatternd. Dann verzog er das Gesicht, presste die Augen fest zusammen und schlug sie wieder auf. Diesmal fiel sein Blick auf ihr Gesicht.
»Tessia?«, stieß er rau hervor. »Geht es dir gut?«
Eine Woge der Zuneigung durchflutete sie, überwältigte sie beinahe mit ihrer Stärke. Trotz all seiner aufreizenden Arroganz und seiner gelegentlichen Unfähigkeit, Mitgefühl für andere zu empfinden, denkt er doch an andere, bevor er an sich selbst denkt.
»Mir geht es gut. Nur ein paar Prellungen.« Sie hielt inne. »Aber dir geht es nicht gut.«
Er verzog abermals das Gesicht. »Ich fühle mich auch nicht gut.«
»Ich werde dich heilen«, erklärte sie ihm.
Er öffnete den Mund, als wolle er protestieren, dann schloss er ihn wieder und nickte. »Ich wäre enttäuscht von dir, wenn du es nicht zumindest versuchen würdest«, sagte er.
Sie schnitt eine Grimasse, dann zog sie das Tuch seines Gewandes hoch, um seinen Bauch zu entblößen. Nachdem sie die Hände links und rechts neben die Wunde gelegt hatte, schloss sie die Augen und sandte ihren Geist aus.
Sofort begriff sie, dass der Schaden noch schlimmer war, als es von außen den Anschein hatte. Irgendetwas war tief in seinen Unterleib eingedrungen und hatte die Gedärme durchbohrt. Flüssigkeiten waren durch diese Wunden in die Bauchhöhle gedrungen und richteten dort weiteren Schaden an. Blut hatte die Zwischenräume zwischen den Organen gefüllt und übte Druck auf sie auf. Zu viel Blut. Er konnte allein am Blutverlust sterben.
Einen Moment lang war sie verzweifelt. Wie konnte Magie dies heilen? Es war unmöglich. Jayan war zum Tode verurteilt.
Nein! Ich kann ihn nicht sterben lassen. Ich muss es versuchen!
Sie sammelte Magie in sich und verschloss die Wunden in
den Gedärmen, um zu verhindern, dass der Inhalt heraussickerte. Dann sammelte sie den Brei, der bereits herausgelaufen war, und zwang ihn, den Körper durch die offene Bauchwunde zu verlassen. Als Nächstes leitete sie das Blut aus den Hohlräumen. Dabei entdeckte sie auch die Quelle der Blutung und schloss die verletzten Pulspfade.
Was als Nächstes?
Sie spürte, dass sein Körper schwächer wurde. Bei der Erinnerung daran, wie der Körper des vergifteten Magiers Magie benutzte, um sich selbst zu heilen, suchte sie bei Jayan nach dem gleichen Prozess.
Dort. Ich sehe es. Aber dies kann ihn nicht rechtzeitig heilen. Der Schaden ist zu groß.
Hilf mir.
Vor Überraschung hätte sich Tessias Geist beinahe aus seinem Körper zurückgezogen.
Jayan? Redest du mit mir?
Tessia? Oh, entschuldige. Ich wollte dich nicht ablenken. Ich glaube, ich habe geträumt ...
Er war im Fieberwahn.
Halte durch, drängte sie ihn. Gib noch nicht auf.
Ich werde dich niemals aufgeben.
Sie konzentrierte sich wieder auf den Schaden und betrachtete ihn sorgfältig. Es musste irgendeine Möglichkeit geben, diese heilende Magie nachzuahmen. Sie versuchte, Magie in ihn zu leiten, konnte sie aber zu nichts anderem formen als zu Hitze oder Gewalt. Etwas nagte an
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